Medizinische Versorgung aus einer Hand erspart dem Patienten Leidenszeit und dem Gesundheitssystem Kosten - doch so mancher Vertrag zur Integrierten Versorgung bedarf einer Qualitätsprüfung

Der integriert versorgte Patient bleibt nicht lange liegen

Ein Unfall kann in vieler Hinsicht kompliziert sein. Wer etwa beim Sport einen Kreuzbandriss erleidet, kann durchaus eine Reihe von Ärzten kennen lernen. Da wäre der Orthopäde, der feststellt, dass eine Knie-OP notwendig ist. Es folgt der Operateur im Krankenhaus oder in einem ambulanten OP-Zentrum. Dann wieder der niedergelassene Orthopäde, der die Heilung der Wunde begleitet. Und schließlich der Mediziner in der Reha-Klinik, der den Wiederaufbau der Muskulatur und die Rückgewinnung der Bewegungsfreiheit des Gelenks durch Krankengymnastik verordnet und überprüft. Alles in allem eine beachtliche Odyssee durch Praxen- und Krankenhausflure.

Dabei könnte dies alles effektiver sein - für den Patienten und das Gesundheitssystem. Eine Studie der Universität Bremen hat jüngst festgestellt, dass eine medizinische "Betreuung aus einer Hand" den Heilungsprozess nach einer Operation enorm beschleunigt. Bis zu 35 Krankentage sparten sich jene Patienten, die nach dem Modell der "Integrierten Versorgung" von nur einem Facharzt operiert sowie vor- und nachbehandelt wurden. Die Patienten, die nach herkömmlichem Muster versorgt wurden, brauchten im Schnitt 103 Tage, bis sie wieder auf den Beinen waren.

Gut für chronisch Kranke

35 Tage Unterschied können eine Menge Leid bedeuten. "Bisher haben die Institutionen, die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhäuser und die Rehabilitationseinrichtungen den Prozess der Behandlung sehr stark geprägt", sagt Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, der wesentliche Aspekte der Gesetzgebung zur Integrierten Versorgung formuliert hat. Betten mussten gefüllt, teure Diagnostikgeräte ausgelastet sein. Nach seiner Vorstellung wird künftig "die Versorgung am Problem des Patienten entlang" organisiert. Besonders bei chronisch Kranken, die etwa 80 Prozent der Kassenausgaben binden, könnte dies hilfreich sein: Bis zu 13 verschiedene Dienste sind pro Patient beschäftigt - ohne voneinander zu wissen. Dies ergab eine Untersuchung der Gesundheitsakademie Itzehoe.

Eine 35 Tage kürzere Krankheitsdauer kann zudem eine Menge Geld bedeuten. Angesichts der Über- und Fehlversorgung im deutschen Gesundheitssystem - etwa durch doppelte Röntgenbilder oder Reibungsverluste beim Arztwechsel - wurde der spröde Begriff "Integrierte Versorgung" zum Zauberwort. Zwar lässt sich ihr gesamtes Einsparpotential derzeit nicht benennen, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium. Dennoch scheint dieser Ansatz auch aus finanzieller Sicht vielversprechend zu sein. Ein mittlerweile über sieben Jahre alter Versorgungsverbund der Bundesknappschaft für die Bereiche Bottrop, Gelsenkirchen/ Gladbeck, Saar sowie Recklinghausen hat im Schnitt Einsparungen von etwa zehn Prozent gebracht.

Probleme mit der Qualität

Bislang haben die Krankenkassen nach Angaben der zuständigen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung rund 4500 entsprechende Verträge mit Ärzten und Krankenhäusern abgeschlossen. Verträge recht unterschiedlicher Qualität jedoch, wie es bei der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) heißt. "Es ist nicht überall Integrierte Versorgung drin, wo es drauf steht", sagt Rolf Rossbach, Geschäftsführer der DGIV. Dies bestätigt auch Franz Knieps. "Bisher gleicht die Integrationsversorgung einer Vielzahl von - teilweise exotischen - Inseln." Um der Exotik mancher Projekte abzuhelfen, fordert die DGIV "eine standardisierte Evaluation", also eine geregelte Qualitätsüberprüfung.

Anderes Arbeiten gefordert

Dennoch steht ver.di zur Integrierten Versorgung - endlich ein Verlauf, der den Patienten in den Mittelpunkt rückt. Für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich indes wird sie immense Veränderungen mit sich bringen. Aus diesem Grund hatte ver.di 2004 das "Netzwerk Pflege und Integrierte Versorgung" (InCareNet) gegründet. Beteiligt waren an dem Projekt, das durch die Gemeinschaftsinitiative Equal der EU gefördert wurde, acht Kliniken, Krankenhäuser und Institute, darunter die Charité Berlin und die Regio-Kliniken des Landkreises Pinneberg.

Das Ergebnis: "Wir haben durch InCareNet gelernt, dass neben den fachlichen Kenntnissen stärker als bisher prozessorientiertes Denken gefordert ist", sagt Ellen Paschke, im ver.di-Bundesvorstand für den Gesundheitsbereich zuständig. Bereits bei der Patientenaufnahme müsse "die Entlassung in das häusliche Umfeld, in eine andere Pflegeeinrichtung oder eine andere ambulante Form der Betreuung" bedacht werden. Eigenständiges Entscheiden und soziale Kompetenz seien künftig stärker gefordert.

Weitere Informationen zu Pflege und Integrierter Versorgung:

www.incarenet.de