In 160 Stunden zum Pflege-Assistenten - die Richtlinie für die Qualifizierung von Arbeitslosen zu Betreuern von Demenz-Kranken sorgt für Zündstoff

Von UTA VON SCHRENK

Ständiges Schaukeln, Brummen oder Schreien, oder auch völliges Insichgekehrtsein und Apathie - Demenz ist eine altersbedingte Erkrankung des Gehirns, gegen die sich kein einfaches Rezept findet. Anfangs lassen sich die Symptome des geistigen Verfalls vielleicht noch ein wenig mit Medikamenten aufhalten. Das war ́s dann aber auch schon. Der Rest ist sorgsame Pflege und geduldiges Begleiten bis zum Tod.

Zur Verbesserung der Pflege glauben Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (beide SPD) ein geeignetes Mittel gefunden zu haben. 35000 Menschen, die einst in der Pflege tätig waren, führt die Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend. Warum also nicht das eine zum anderen führen, dachten sich die beiden Minister. Schließlich eröffnet die Pflegereform den Heimen seit dem 1. Juli die Möglichkeit, zusätzliche Betreuungsassistenten für Demenzkranke einzusetzen. Eine Neuerung, die ver.di für längst überfällig hielt. "Dieses ist ein erster, kleiner Schritt, um die Situation dementer Menschen zu verbessern", sagt die ver.di-Pflegeexpertin Gabriele Feld-Fritz. Stellen für bis zu 10000 sogenannter Pflege-Assistenten sollen eingerichtet werden. Die anfallenden Kosten übernehmen die Kassen, bereitgestellt werden dafür insgesamt 200 Millionen Euro im Jahr.

Sollten sich unter den einstigen Pflegerinnen und Pflegern nicht genügend Interessenten finden, sehen die beiden Ministerien vor, dass sich auch Arbeitsuchende ohne Vorkenntnisse für den künftigen Assistenten-Job fortbilden können.

Pflegewillige Quereinsteiger

Doch während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Kabinettskolleg/innen demonstrativ lobte, hagelte es vor allem von Seiten der Pflegeverbände harsche Kritik. Diese entzündete sich vor allem an der Art der Qualifizierung, die der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Ende August für die pflegewilligen Quereinsteiger festgelegt hat. Vorgesehen sind 160 Stunden Weiterbildung. Ein Basiskurs von 100 Stunden über Grundkenntnisse in der Betreuungsarbeit, ein Aufbaukurs von 60 Stunden zum "Vertiefen der Kenntnisse" und ein Betreuungspraktikum von zwei Wochen. Berufsbegleitend folgen dann zwei Tage Fortbildung pro Jahr.

Dieser Ausbildungsumfang sei völlig unzureichend, urteilt die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Heidi Merk. Der hessen-nassauische Diakoniechef Wolfgang Gern sprach gar von "Schnellschuss". Allerdings enthalten die GKV-Richtlinien eine detaillierte Liste, was die Pflege-Assistenten zu leisten haben - und was sie überhaupt tun dürfen. Dazu gehören Malen, Basteln, Kochen, Backen, Musizieren oder Spazieren gehen.

Gewerkschafterin Feld-Fritz erkennt zunächst einmal an, dass der Gesetzgeber zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen will. Doch ob dies so ausgerechnet in der Pflege funktioniere, sei fraglich. "160 Stunden sind reichlich knapp", sagt Gabriele Feld-Fritz. Um den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers attraktiver zu machen, brauche es anderes: eine bessere Finanzierung der Pflegeleistungen und eine Personalbemessung, die sich nach dem tatsächlichen Bedarf richtet. "Ansonsten dürfte es auch in Zukunft Tausende geben, die ihren Pflege-Job frustriert und ausgebrannt an den Nagel hängen", sagt Gabriele Feld-Fritz.

18000 Ein-Euro-Jobs

Schon jetzt arbeiten in den Pflegeheimen nur 50 Prozent Fachkräfte. Und es gibt mehr als 18000 Ein-Euro-Jobs - ohne angemessene Bezahlung und entsprechende Sozialversicherung.

Was die Umsetzung der Regierungspläne anbelangt, so werden die Vorbereitungskurse für Pflege-Quereinsteiger nach Einschätzung bei der Bundesagentur für Arbeit frühestens zum Jahresende starten. Die 35000 arbeitslosen Pflegekräfte, die bereits über ausreichend Kenntnisse verfügen, könnten sich dagegen jederzeit als Pflege-Assistent bewerben.

Die neuen Pflege-Assistenten sollten laut Tarifvertrag mit monatlich 1675,38 Euro brutto vergütet werden. Um dies zu realisieren, müsste allerdings das Gesamtbudget der Pflegekassen erhöht werden.