Ausspähen verboten

Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen erlaubt

Der Lidl-Verkaufsleiter war informiert: Die Geschäftsleitung des Discounters hatte in zwei "seiner" Filialen Videoüberwachung angeordnet, um Diebstähle aufzudecken. Nach der Installation schaute sich der Mann die Anlage genauer an und wunderte sich. "Es gab auch im Lager eine Kamera, aber mein Vorgesetzter verwies darauf, dass auch die Mitarbeiter ab und zu kontrolliert werden müssten." Die Beobachtung des Verkaufsleiters datiert einige Jahre vor Bekanntwerden der ausgedehnten Videoüberwachung und Bespitzelung durch Detektive beim bundesweit zweitgrößten Discounter im März dieses Jahres.

Auch wenn gegen das Unternehmen mittlerweile wegen nachgewiesener unrechtmäßiger Mitarbeiter-Bespitzelung ein Bußgeld von 1,5 Millionen Euro verhängt worden ist, geht der Trend im Einzelhandel allgemein zu immer mehr Überwachung. Nach Angaben des Einzelhandelsinstituts EHI vom Sommer dieses Jahres werden jährlich Waren im Wert von rund 2,9 Milliarden Euro aus den Regalen gestohlen - zu zwei Dritteln von Kunden, zu einem Drittel von Beschäftigten, heißt es. Als Allheilmittel gegen solche Verluste setzen die Händler auf immer mehr Ausspähung durch Videokameras.

Persönlichkeitsrechte müssen gewahrt bleiben

Unter welchen Bedingungen ist diese Art der Überwachung erlaubt? Paragraf 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes sowie vergleichbare Passagen in den Datenschutzgesetzen der Bundesländer formulieren klare Grenzen. Grundsätzlich kann, so heißt es in der Zeitschrift Computer und Arbeit, in "Betrieben, Supermärkten und ähnlich ,öffentlichen' Örtlichkeiten ... die Videobeobachtung bestimmter Bereiche zulässig sein, wenn dies zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zum Schutz beispielsweise vor Vandalismus oder Diebstahl erforderlich erscheint und dadurch die Persönlichkeitsrechte der Kunden und Beschäftigten nicht übermäßig verletzt werden."

Eine heimliche Ausspähung der Beschäftigten ist dabei unzulässig. Bevor ein Unternehmen überwachen kann, muss es den angestrebten Zweck im Rahmen einer Vorabkontrolle nach Paragraf 4 d Abs. 5 Bundesdatenschutzgesetz schriftlich offen legen. Ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter muss zur Überprüfung bestimmt werden. Ist die Überwachung grundsätzlich zulässig, bedürfen Installation und Betrieb der Anlage einer Regelung, etwa einer Betriebsvereinbarung.

Einer heimlichen Videoüberwachung am Arbeitsplatz hatte das Bundesarbeitsgericht noch 2003 unter gewissen Voraussetzungen zugestimmt. Mittlerweile haben sich die gesetzlichen Grundlagen geändert, und auch das Bundesarbeitsgericht hat in der Zwischenzeit mehrfach nach dem Grundsatz entschieden, dass heimliche Videoüberwachung ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei.

Auch der Betriebs- oder Personalrat darf eine heimliche Videoüberwachung nicht genehmigen. Wird eine Anlage installiert, muss der Arbeitgeber darüber mit der Arbeitnehmervertretung eine Betriebsvereinbarung abschließen. Die Beschäftigten müssen sodann auf die deutlich sichtbar angebrachten Kameras aufmerksam gemacht werden. Stellen Mitarbeiter Verstöße fest, sollten sie sich an ihren Betriebsrat, an die zuständige Gewerkschaft oder die Datenschutzbehörde wenden. GUDRUN GIESE