Element of Crime: Immer da wo Du bist bin ich nie | Ach, ja, falls Sie es vergessen hatten: Sven Regener ist eigentlich und ursprünglich Sänger. Weitere wichtige Informationen: Seine Band heißt Element of Crime, gilt als eine der wichtigsten in diesem Land und bringt nun nach vierjähriger Pause ein lang erwartetes neues Album heraus.

Ironie beiseite. Tatsächlich hat man das alles leicht vergessen können in den vergangenen Jahren. Schließlich hatte sich Regener eine überaus erfolgreiche Zweitkarriere als Schriftsteller aufgebaut. Regener war Stammgast in den Feuilletons, seine Bücher wurden verfilmt und der Autor befragt zu allen verfügbaren Problemen. Auch Der kleine Bruder, der Abschluss der Trilogie über den wunderlichen Herrn Lehmann, wurde wieder mal ein Bestseller. Der Position als Instanz für gesellschaftlich Relevantes, die ihm die Öffentlichkeit zuweisen wollte, entzog sich Regener allerdings relativ konsequent. Stattdessen schrieb er den Medien ins Stammbuch, dass man Musik und Politik doch bitte nicht vermengen möge. Er sei zwar ein politischer Mensch, das solle jeder sein, aber in seiner Kunst habe die Politik nichts verloren.

Dieses Prinzip wird auch auf diesem neuen, nun schon zwölften Album von Element of Crime weitgehend befolgt. Zwar singt Regener schon mal davon, in welcher Verbindung alkoholfreies Bier zum Schweinesystem steht, aber genauso leidenschaftlich geht es um Mayonnaise oder zu enge Schuhe. Ansonsten wühlt er sich durch den Nachlass gescheiterter Beziehungen oder spottet ganz liebevoll über Frauen, die mit ihrem Leben nicht mehr klar kommen. Vor allem aber beschreibt er genau, wie ein Treppenhaus riecht oder wie es "in den Eingeweiden des Sparschweins" aussieht.

Diese detailfreudigen, fast schon peniblen Alltagsbeobachtungen sind es wieder einmal, dank denen die Texte von Regener so wundervoll sind. Zeilen, die kurz vorm Sarkasmus halt machen, aber ganz trocken die allermenschlichsten Zustände schmerzhaft auf den Punkt bringen: "Nur wenn ich lachen muss", singt Regener, "tut es noch weh." Dazu spielt die Band diesen unglaublich abgeklärten, fast schon monotonen Rock, der die entspannte Dramatik eines Chansons ebenso souverän beherrscht wie das beiläufige Fingerschnippen des Cool Jazz, sich aber auch nicht zu schade ist für das sexy Schleifen einer Slide-Gitarre. Darauf setzt Regener selbst, wenn er nicht gerade singt, als wollte er Eisschränke zum Erröten bringen, noch sein patentiert wehmütiges Trompetenspiel. Ja, man sollte es niemals vergessen: Sven Regener ist Sänger. Und seine Band heißt Element of Crime. THOMAS WINKLER

Pop, Polydor/ Universal


Ohrbooten: Gyp Hop |Reisen bildet, selbst die Ohrbooten aus Berlin. Im Gefolge eines Trips nach Marrakesch scheppert nun orientalische Rhythmik durch ihre Songs. Eine flotte Stilrichtung haben sie ja noch nie von der Bettkante geschubst. Dass sich die vier neue Spannkraft erworben haben, kommt jetzt in Textzeilen wie Ich wache auf / schnell aus`m Bett / und geh surfen auf`m Fensterbrett / zum Ausdruck. Ihre Unschuld als Straßenmusiker haben sie sich auf dem dritten Studioalbum bewahren können; auch hier machen sie sich ohne zu fragen sämtliche musikalischen Erscheinungen untertan, um ihr Ziel zu erreichen: die Leute müssen pogen! Und was hat die Welt nicht alles für lustige Rhythmen und Berlin für einen schönen Dialekt zu bieten, um Zeilen zu stützen wie Der Beamtensläng ist so ansträngähänd / gebt mir Feua / für jede Mahnung. Da sich hinter Matze, Ben, Onkel und Noodt lediglich als Erwachsene getarnte Jungens verbergen, können sie eines immer noch am besten: Charmante Oden an die Mädchen singen: Ich zeig dir wie die Liebe schmeckt / du bist heut' nacht mein Special Guest! JM

Pop, Motor/Universal


Herman van Veen: Im Augenblick | Manche Menschen tragen es einfach in sich. Sie machen keine Kunst, sondern atmen sie ein und aus, von Anfang an und ihr Leben lang. Sie berühren mit wenigen Worten, Klängen, Gesten; selbst der abgebrühteste Banker trocknet sich eine echte Träne aus dem Knopfloch, das Herman van Veen zum Fließen gebracht hat. Das geschieht schon seit den Siebzigern ohne Kitsch; es sind auch auf dem neuen Album zart-poetische Lieder wie das über das Altwerden: Ich trage keine Stützstrümpfe / schlurf zur Tür noch nicht mit Stop-and-Go-Füßen / oder pack die Koffer um zur Tochter zu ziehen. Der holländische Liedermacher und Komödiant van Veen hat schon immer gemacht, was und wie er es selbst empfand - melancholisch, zart, verspielt, komisch oder verzaubernd. Für zwölf neue Lieder hatte der viel beschäftigte Künstler Zeit, obwohl er grade erst das Musical "Ein Tag im September" am Hermann-Denkmal aufgeführt hat. Mit ihnen geht der Erfinder von Alfred Jodokus Kwak demnächst wieder auf eine Tournee auch in Ihrer Region. JM

Lieder, Boutique/Universal