Hier fehlt nur noch ein Tarifvertrag: Betriebsrat Peter Schneider

VON Birgit Tragsdorf

Peter Schneider ist Betriebsrat. Er möchte seine Kollegen/innen bei der Lebenshilfe in Mittweida motivieren, etwas für einen Tarifvertrag zu tun. Seit sein Arbeitgeber 2003 die Anlehnung an den BAT Ost aufgekündigt hat, stagnieren die Einkommen, ebenso die Pflegesätze in der Behindertenhilfe. Und die sind - festgelegt vom Kommunalen Sozialverband (KSV) - eh schon die schlechtesten in Deutschland.

In den verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe in Sachsen waren die letzten Jahre geprägt von wechselnden Trägerschaften - vom öffentlichen Dienst zu Privaten. Die Führungskräfte kamen und gingen, und auch die Arbeits- und Entgeltbedingungen änderten sich ständig.

Wie die Behindertenhilfe geregelt und finanziert wird, bestimmen die Bundesländer. In Sachsen ist es eine kommunale Angelegenheit. Die zehn Landkreise und drei kreisfreien Städte stehen in der Pflicht, das Land hat sich völlig ausgeklinkt. In Thüringen und in Sachsen-Anhalt gelten andere Regelungen. Da gehört die Behindertenhilfe in den Landeshaushalt.

Tarifverträge Mangelware

Bei der Lebenshilfe in Mittweida arbeiten 50 Kollegen/innen in der Tagesbetreuung von psychisch Kranken und geistig-körperlich behinderten Menschen zwischen 18 und 65 Jahren sowie im Kindergarten. Es ist eine moderne Einrichtung mit Küche, Speisesaal, Wäscherei und Werkstätten, in denen Metallteile sortiert, montiert, Stecker, Kabel und Kleinteile verschraubt werden. Peter Schneider geht durch die Werkstätten, erklärt das Konzept, den Alltag für behinderte Menschen und ihre Betreuer. Sie haben alle gute Bedingungen hier. Eine leichte Arbeit ist es aber nicht. Peter Schneider, Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung und Gruppenleiter, montiert in seinem Bereich mit den psychisch Kranken gerade Lampen. Er sagt, warum er sich bei ver.di engagiert und warum er für einen Tarifvertrag kämpft. "Wir wollen was tun gegen diese Bezahlerei in der Behindertenhilfe." In fast jeder Einrichtung in Sachsen gelten unterschiedliche Bedingungen. Tarifverträge gibt es nur bei der AWO und dem DRK. Berufsabschlüsse werden unterschiedlich bewertet, Eingruppierungen sind Verhandlungssache der neuen Kollegen/innen. Zehn bis fünfzehn Prozent liegt ihre Bezahlung unter den Bedingungen im öffentlichen Dienst.

In seinem Haus haben vor Jahren die Beschäftigten Änderungsverträge unterschreiben müssen und schlechtere Bedingungen akzeptiert. Sie erklärten es mit der Angst vor Verlust ihres Arbeitsplatzes. Etwa 30 Prozent der Beschäftigten sind in ver.di organisiert.

Peter Schneider gehört zu den Betriebsräten, die im vergangenen Jahr mit Vertretern anderer Einrichtungen eine Arbeitsgruppe in ihrem Fachbereich gegründet haben, um sich auszutauschen und die Bedingungen für Tarifverhandlungen auszuloten. Ende letzten Jahres organisierten sie mit den zuständigen Gewerkschaftssekretärinnen Monika Conrad und Bärbel Bronold in Dresden ein Kolloquium. Sie hatten Geschäftsführer und Mitarbeiter der Leistungserbringer der Behindertenhilfe in Sachsen eingeladen.

Und sie waren sich einig: Es geht nur mit Veränderungen der Zuständigkeiten und der Finanzierung. Seit 2003 gibt es für die Kostensätze eine Deckelung. Die Kommunen haben keinen Spielraum, sie verkraften keinerlei Erhöhung. Im Gegenteil: Die Steuerschätzungen lassen Bestehendes wackeln.

Verbündete gesucht

Peter Schneider sieht einen Weg nur, wenn es ihnen gelingt, Bürgermeister, Landräte und die Vertreter der Parteien in den Kreistagen und vor allem im Landtag zu Veränderungen der Gesetzgebung zu bewegen. Dafür suchen sie sich nun Verbündete in der Öffentlichkeit und der Politik mit dem Ziel, die Kostensätze anzuheben und Tarifverträge mit ver.di abzuschließen.