Mit einer Unterschriftenaktion fordert ver.di gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort

Von 1996 bis 2008 wurden laut dem Deutschen Institut für Pflegeforschung allein in der Krankenhauspflege 50.000 Stellen abgebaut. Und weil zudem 15.000 Ausbildungsplätze gestrichen wurden, ist der Mangel an Pflegekräften mancherorts in Deutschland groß. Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die es seit dem 1. Mai 2011 Arbeitnehmer/innen aus den neuen EU-Beitrittsländern erlaubt, ihren Arbeitsplatz und Arbeitsort in Deutschland frei zu wählen, mag der Mangel mit der Zeit ein wenig schrumpfen, weil vielleicht Fachkräfte aus Polen Lücken füllen. Die Frage ist aber, zu welchen Bedingungen? Und: Ist das die Lösung?

Noch immer zwei Klassen von Beschäftigten

"Fachkräfte im Gesundheitswesen brauchen gute Arbeit in Europa" nennt sich deshalb auch eine ver.di-Unterschrifteninitiative, die seit Ende April zwei Monate lang bundesweit Stimmen für den sogenannten Verhaltenskodex sammelt, den ver.di und die Europäischen Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst (EGÖD) zusammen mit dem europäischen Arbeitgeberverband für öffentliche Krankenhäuser 2007 ausgehandelt haben. Entstanden ist der Kodex, weil sich durch zunehmend unlautere Einstellungspraktiken Ungleichheiten und unnötige Belastungen im europäischen Gesundheitswesen zu einem Problem ausgewachsen haben. Das heißt: Vor allem in Westeuropa wurden billige Pflegekräfte aus den EU-Beitrittsländern angeworben und zwei Klassen von Beschäftigten geschaffen.

Der besagte Kodex fordert "eine medizinische Versorgung von hoher Qualität, die für alle Menschen in der EU zugänglich ist". Und die kann es nur geben, wenn die Arbeit im Gesundheitswesen allerorts fairen Bedingungen und guter Bezahlung unterliegt. Anlässlich des ver.di-Aufrufs zur Unterschriftenaktion sagte Ellen Paschke vom ver.di-Bundesvorstand: "Wir fordern die Arbeitgeber im deutschen Gesundheitswesen auf, den europäischen Verhaltenskodex endlich umzusetzen."

Als Dorota Dzingel vor 24 Jahren von Polen als Physiotherapeutin nach Deutschland kam, hieß ihr Beruf hier noch Krankengymnastin. Darum wur-de ihr Beruf nicht anerkannt. In Norddeutschland bewarb sie sich in einer Klinik für ein Praktikum und arbeitete zunächst Vollzeit - ohne Bezahlung. "Erst als der ärztliche Direktor davon erfuhr, bekam ich das Praktikantengehalt", sagt sie. Und wurde schließlich übernommen. Wenn sie in die Gegenwart blickt, sagt Dorota Dzingel: "Die, die später nach Deutschland gekommen sind, haben eine ganz andere Situation vorgefunden."

Es hat sich also etwas getan bei der sogenannten grenzüberschreitenden Einstellung von Pflegekräften. Margret Steffen, bei ver.di zuständig für europäische Gesundheitspolitik, sagt: "Der Verhaltenskodex wird schon gelebt, aber in unterschiedlicher Weise." Mit der Öffnung der Arbeitsmärkte trete zudem eine neue Situation ein, denn wer nun glaube, der Fachkräftemangel hierzulande ließe sich durch Migration lösen, liege falsch. Im Aufruf zur Unterschriftenaktion heißt es: "Binnenmarkt und Freizügigkeit bieten nur mobilen und qualifizierten Personen die Chance, ihre Arbeitsbedingungen und ihr Einkommen zu verbessern. Migration aber lässt viele Probleme entstehen: In den Zielländern droht eine Verschlechterung der Arbeits- und Tarifbedingungen sowie Vernachlässigung einer guten Ausbildung. In den Herkunftsländern droht mit der Abwanderung der Fachkräfte eine Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung für die Bevölkerung."

Zu den Erstunterzeichnern für die vollständige Umsetzung des Kodex' zählten bereits mehr als 100 Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen aus dem Gesundheitswesen. Inzwischen haben rund 250 Menschen unterschrieben. http://gesundheitspolitik.verdi.de