Pink Panzer beim Ostermarsch 2010 in Büchel (Rheinland-Pfalz). Auf dem Fliegerhorst in der Eifel lagern amerikanische Atomwaffen

von Karin Flothmann

"Viele Menschen glauben, mit dem Fall der Mauer seien alle Atomwaffen abgeschafft. Doch das Gegenteil ist der Fall!" Reiner Braun von der Vereinigung der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) kann sich in Rage reden, wenn es um die Atombombe geht. Denn obwohl der Kalte Krieg ein Ende gefunden hat, geht die Nato immer noch davon aus, dass ein Mindestmaß an Abschreckung notwendig sei, um den Frieden zu erhalten - auch die Abschreckung durch Atomwaffen. Seit 1970 sorgt der Atomwaffensperrvertrag zwar dafür, dass Atomwaffen nicht verbreitet werden dürfen und die Atommächte, die den Vertrag ratifiziert haben, verpflichtet sind, ihr nukleares Waffenarsenal abzurüsten. Doch trotz aller Abrüstungsbemühungen scheint das Abschreckungsargument immer noch das stärkste aller Argumente zu sein. Auch vor dem Hintergrund, dass die Atomwaffen besitzenden Staaten Israel, Indien und Pakistan die einzigen Länder sind, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben oder, wie Nordkorea, ihn wieder gekündigt haben.

Ein buntes Bündnis

Im April 2009 hatte sich US-Präsident Barack Obama in Prag zu einer Welt ohne Atomwaffen bekannt. Doch inzwischen, sagt Reiner Braun, "modernisieren die Amerikaner ihr Atomwaffenarsenal in einem gigantischen Ausmaß". Für Braun ist das Grund genug, noch mehr Energie in den Kampf gegen nukleare Waffen zu stecken. Auch ver.di unterstützt diesen Kampf. Zusammen mit IALANA, den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und anderen Organisationen gründete ver.di 2010 das Bündnis "Für eine Zukunft ohne Atomwaffen".

"Das war vor der letzten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die im Mai 2010 bei den Vereinten Nationen in New York stattfand", erläutert Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin bei den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges. Vor dieser Überprüfungskonferenz forderte das Bündnis den Abzug der letzten rund 20 amerikanischen Atomwaffen, die noch immer im rheinland-pfälzischen Büchel stationiert sind. Außerdem verlangt es einen Stopp aller Modernisierungspläne für Atomwaffen. Durchgesetzt wurden diese Forderungen bisher noch nicht, doch das Bündnis stieß eine breite öffentliche Diskussion an. In deren Folge verabschiedeten die Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU im März vergangenen Jahres den Beschluss: "Deutschland muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen." Sie forderten die Bundesregierung auf, sich dafür international zu engagieren. Auch die Nato spricht sich in ihrem neuen strategischen Konzept vom Herbst 2010 - trotz aller Abschreckungsmentalität - erstmals für eine atomwaffenfreie Welt aus.

Erreichen können wir diese Welt auch mit kleinen Schritten, davon ist Reiner Braun von IALANA überzeugt: "Der Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland wäre schon rein psychologisch ein großer Erfolg." Militärstrategisch haben diese Bomben für die Amerikaner inzwischen keine Bedeutung mehr, die Stationierung kostet nur Geld und ist Teil der sogenannten nuklearen Teilhabe. In einem erneuten Brief an alle Abgeordneten des Bundestags erinnert das Bündnis an den Beschluss vom März 2010 und fordert die Politiker/innen auf, sich für einen Verzicht auf "nukleare Teilhabe" und eine atomwaffenfreie Zone Europas einzusetzen.

Mit kleinen Schritten

Ein weiterer kleiner Schritt ist der Initiativ-Antrag des verdi-Ortsvereins Bodensee, den der an den ver.di-Bundeskongress 2011 stellen wird. Darin werden der ver.di-Bundesvorstand und der Gewerkschaftsrat aufgefordert, sich für die sofortige und weltweite Abschaffung der Atomwaffen und die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke einzusetzen. Denn: "Zivile und militärische Nutzung der Atomkraft lassen sich nicht eindeutig trennen. Die zivile Nutzung der Atomkraft schafft die Voraussetzungen für Atomwaffenprogramme." Eine Ansicht, die auch das Bündnis für eine Zukunft ohne Atomwaffen teilt.

"Unser Bündnis ist ein Netzwerk, das verschiedene Sichtweisen verbindet", sagt Xanthe Hall vom IPPNW. "Die Juristen von IALANA arbeiten mit den Argumenten des Völkerrechts. Wir Ärzte vom IPPNW sehen die medizinischen Aspekte atomarer Waffen." ver.di, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der DGB sorgen dafür, dass die große Basis der Arbeitnehmer beteiligt ist. Die Organisation "Mayors of Peace" (Bürgermeister für den Frieden) bringt Kommunalpolitiker in das Bündnis und schafft so die Verbindung zur Politik. Mit der Friedenskonferenz der evangelischen Kirche und der Internationalen Katholischen Friedensbewegung pax christi sind auch die Kirchen dabei.

"ver.di unterstützt das Ziel einer atomwaffenfreien Welt", sagt Wolfgang Uellenberg-van Dawen, der bei ver.di den Bereich Politik und Planung leitet. "Wir halten es für wichtig, zusammen mit Bündnispartnern, die seit Jahren aktiv sind und die wir sehr schätzen, dieses Ziel weiterzuverfolgen." Uellenberg fügt hinzu: "Wir erwarten außerdem, dass sich auch die Länder, die Atomwaffen besitzen, diesem Weg anschließen, um endlich zu einer Welt ohne Atomwaffen zu kommen."

Auf die Frage, wie das funktionieren könne, hat das Bündnis eine klare Antwort. "Wir wollen, dass Verhandlungen über eine Atomwaffenkonvention aufgenommen werden", sagt Xanthe Hall. Eine solche Konvention würde, analog zur Chemiewaffenkonvention oder zur Konvention über biologische Waffen, die Atomwaffen ächten. Weitreichende und umfassende Kontrollmechanismen müssten eingesetzt werden, um weltweit überprüfen zu können, ob sich Staaten an das Verbot halten oder es verletzen. Gleichzeitig müssten alle Staaten, die Atomwaffen besitzen, diese Waffen verschrotten. Hierfür müsste ein verbindlicher Abrüstungszeitplan festgelegt werden.

Es gibt nur eine Chance

"Der Atomwaffensperrvertrag hat über Jahre hinweg verhindert, dass Atomwaffen weltweit Verbreitung fanden", sagt Reiner Braun von IALANA. Doch jetzt gehe es um die Weiterentwicklung des völkerrechtlichen Vertrags. Denn ein großer Haken am Atomwaffensperrvertrag ist, dass die Atomstaaten zwar zur Abrüstung verpflichtet werden, gleichzeitig aber kein Zeitplan existiert, bis wann alle Atomwaffen verschwunden sein müssen. Die nur zögerlichen Abrüstungsbemühungen der größten Atommächte USA und Russland führen daher regelmäßig zu Protesten der atomwaffenfreien Staaten des Südens. Eine Konvention zur Ächtung aller Atomwaffen würde solche Proteste unnötig machen. "Eine solche Konvention muss juristisch sehr verbindlich sein", sagt Braun.

Anknüpfungspunkte für das Bündnis für eine Zukunft ohne Atomwaffen gibt es genug: Schon im Jahr 1996 haben Juristen der Initiative IALANA einen ersten Entwurf einer solchen Konvention erarbeitet, der 2001 überarbeitet wurde. Sieben Jahre später, im Oktober 2008, hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Rahmen seines Fünf-Punkte-Plans zur Abrüstung auch die Atomwaffenkonvention als mögliche Option erwähnt. Und die Abgeordneten des Deutschen Bundestags forderten im vergangenen Jahr die Bundesregierung in ihrem Beschluss auf, sich aktiv an der "Diskussion über den Vorschlag für eine Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung der Atomwaffen" zu beteiligen.

"Die einzige Möglichkeit, die wir sehen, um Atomwaffen zu verbieten, ist das Völkerrecht", sagt Reiner Braun. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag gibt ihm Recht. Er urteilte 1996: Der Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen sind grundsätzlich völkerrechtswidrig. Denn: "Die Zerstörungskraft von Atomwaffen kann weder im Raum noch in der Zeit begrenzt werden. Sie haben das Potential, jegliche Zivilisation und das vollständige Ökosystem des Planeten zu zerstören." Daher seien verstärkte Anstrengungen zur Abrüstung dieser Waffen unabdingbar.

www.zukunft-ohne-atomwaffen.de