Niedersachsen im Rollstuhl: In privaten Pflegeeinrichtungen wird mehr gearbeitet und schlechter bezahlt

Lohndumping, Personalmangel, miserable Arbeitsbedingungen und somit oft schlechte Pflegequalität: Das Renditeziel privater Pflegeanbieter wird über die Löhne der Mitarbeiter erreicht, sagte ver.di-Landesleiter Detlef Ahting auf einem Forum zur Altenpflege mit Vertretern von Parteien und Arbeitgebern. Er kritisierte, dass der Wettbewerb in der Pflege zulasten der Beschäftigten und Pflegebedürftigen ausgetragen würde.

Niedersachsen im Ländervergleich: Hier gibt es landesweit 2640 Pflegeeinrichtungen, von denen mehr als 60 Prozent in privater Hand sind. In Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein Westfalen ist der Anteil privater Anbieter nur halb so hoch. Gemäß den länderweise festgelegten Personalschlüsseln betreut bei gleicher Pflegestufe eine Fachkraft zum Beispiel in Bayern zwei bis zweieinhalb Pflegebedürftige, in Niedersachsen sind es vier, so Ahting. Schon heute fehlen laut Landespflegebericht 3000 Pflegekräfte in Niedersachsen, bis 2020 sollen es 30.000 sein.

Derzeit sind rund 100.000 Pflegekräfte in Niedersachsen beschäftigt, davon 87 Prozent Frauen. 51 Prozent davon sind bei privaten, 46 Prozent bei freien und gemeinnützigen Trägern und nur drei Prozent bei den kommunalen tätig. Bei den Pflegesätzen belegt Niedersachsen den vorletzten Platz unter den westdeutschen Flächenländern vor Rheinland-Pfalz. "Private Heime sind selten tarifgebunden, Lohndumping in einer anarchischen Tariflandschaft ist die Folge", sagte Ahting. Der Durchschnittslohn einer Altenpflegerin beträgt bei Privatanbietern 2150 Euro - Beschäftigte mit Tarifvertrag verdienen im Schnitt 480 Euro mehr.

Derzeit gibt es 6250 Azubis. Bei den Privaten erhalten sie im ersten Jahr etwa 683 Euro und damit 200 Euro weniger als nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, TVöD. Detlef Ahting: "Wir fordern eine einheitliche Vergütung auf dem Niveau der Krankenpflegeausbildung!" Die Bedingungen seien vielfach schlecht aufgrund fehlender oder ungenügender Praxisanleitung oder wegen des Missbrauchs als billige Arbeitskräfte, so Ahting weiter. Dazu kämen anschließend befristete Verträge, Teilzeitarbeit und Leiharbeit, mit der die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter unter Druck setzen. Die Personalfluktuation sei enorm hoch.

ver.di fordert angesichts der bevorstehenden Landtagswahl von der Politik: Die Refinanzierung der Pflegekosten muss durch eine Bürger-Pflegeversicherung sichergestellt sein, in die alle einzahlen - auch Beamte und Selbstständige; mehr Personal in den Pflegeheimen; bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten; höhere und einheitliche Löhne sowie Ausbildungsvergütungen durch einen landesweiten Sozial-Tarifvertrag für die gesamte Pflegebranche; eine Ausbildungsumlage und die komplette Abschaffung des Schulgeldes.