Der Bankkaufmann Uwe Tschäge ist seit 1983 bei der Commerzbank und seit elf Jahren Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats

Uwe Tschäge

ver.di PUBLIK | Anfang Januar hat die Commerzbank angekündigt, allein in Deutschland 4600 Vollzeitstellen zu streichen, 3400 davon im Privatkundenbereich, also in den Filialen. Für die verbleibenden Beschäftigten sollen sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Wie ist die Situation im Moment?

UWE TSCHÄGE | Immer noch sehr angespannt, obwohl der Vorstand Ende Februar versucht hat, mit einer schriftlichen Erklärung die Lage zu beruhigen. In dem Papier heißt es, in den Filialen werde man "nur" rund 1800 Stellen streichen und der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen solle bis Ende 2014 verlängert werden - unter der Voraussetzung, dass 600 Vollzeitstellen bis Ende 2013 abgebaut werden. Zu den anvisierten neuen, also schlechteren, Arbeitsbedingungen für die bleibenden Beschäftigten wird gesagt, sie sollten "nicht zur Vereinzelung von Mitarbeitern beitragen". Das bezieht sich auf die ursprünglichen Pläne des Unternehmens, Filialen künftig nur noch mit einer einzigen Person zu besetzen. Wir Betriebsräte hatten das als Arbeit nach dem Schlecker-Modell scharf kritisiert.

ver.di PUBLIK | Was verändert sich durch die Vorstandserklärung?

TSCHÄGE | Das ist noch längst nicht die Lösung unserer Probleme. Bisher ist das auch kein Verhandlungsergebnis, sondern nur eine einseitige Aussage der Vorstände. Immerhin sind auf dieser Grundlage jetzt Verhandlungen möglich, das ist ein Fortschritt. Die haben in der zweiten Märzwoche begonnen.

ver.di PUBLIK | Wie haben die Kolleginnen und Kollegen auf die Erklärung reagiert?

TSCHÄGE | Mit zurückhaltender Begeisterung. Vorher hatten wir extrem viele Baustellen, das war eine kaum zu übersehende Anhäufung von Konflikten, und eine sehr schlechte Situation; dagegen sieht es jetzt doch etwas besser aus. Aber die Zahl der angekündigten Stellenstreichungen ist immer noch hoch. Ganz zu schweigen davon, wie hart es dann für diejenigen ist, die ihre Stelle verlieren. Und das werden, wie es zurzeit aussieht, vor allem viele ehemalige Commerzbank-Auszubildende sein. Sie haben nur befristete Verträge, meist über zwölf Monate, und befürchten jetzt, dass sie es sind, die als Erste gehen müssen, und zwar ohne Abfindung. Ich sehe tatsächlich auch schon Anzeichen dafür, dass es in vielen Filialen so kommen wird.

ver.di PUBLIK | Was tun die Betriebsräte jetzt?

TSCHÄGE | Zum einen haben wir sofort Infoblätter herausgegeben und die Kolleginnen und Kollegen auf zahlreichen Betriebsversammlungen informiert. Die waren gut besucht - und man kann wohl sagen: Sie waren stimmungsvoll. Es haben sich auch in vielen Städten sofort Kolleginnen und Kollegen entschlossen, ver.di-Mitglied zu werden. Was ja bei Bankern oft nicht so schnell geht.

Zum anderen werden wir jetzt sehen, was in Verhandlungen mit der Commerzbank möglich ist. Dabei denke ich nicht nur an einen guten Sozialplan. Wir wollen vielmehr die Vorhaben des Arbeitgebers grundsätzlich verändern. Ich sehe bei uns viel Streitpotential - aber durchaus auch Streikpotential, wenn wir die wesentlichen Fragen wie die angekündigte neue Eingruppierung, also die schlechtere Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen, und die Samstagsarbeit nicht verhindern können. Auch Regelungen zum sozialverträglichen Abbau der Arbeitsplätze spielen eine große Rolle. Wenn die Arbeitgeber sich nicht bewegen, werden wir uns bestimmt etwas einfallen lassen.

Interview: Claudia von Zglinicki

"Es haben sich auch in vielen Städten sofort Kollegen entschlossen, ver.di-Mitglied zu werden"