Damit das Einkommen nicht nur für die Miete reicht: ver.di Jugend auf dem Marienplatz

von Ben Wermuth

Hier und da ein bisschen Gelächter, das Rascheln von Papier, schließlich aufmerksames Schweigen, wenn Jessi, die Vorsitzende der ver.di Jugend München, die Sitzung eröffnet: "Hallo ihr Lieben, schön, dass so viele da sind. Wir haben heute einiges vor."

So oder so ähnlich beginnen die Sitzungen des Aktivenkreises der ver.di Jugend München an jedem zweiten Donnerstag im Monat. In den kommenden Stunden wird beraten, diskutiert, beschlossen, geplant, bis am Ende der Sitzung die Planung, teils für den kommenden Monat, teils auch deutlich längerfristiger, steht.

Der Aktivenkreis ist ein Gremium aus Mitgliedern unter 28 Jahren, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, frischen Wind in die Gewerkschaftsbewegung zu bringen und vor allen Dingen für die Interessen der Auszubildenden und jungen Beschäftigten einzutreten. Übernahme, Sonderzahlungen für Azubis, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Tarifforderungen für Azubis stehen immer auf der Tagesordnung. Aber auch gesellschaftspolitische Themen, wie etwa die Situation von Flüchtlingen in Deutschland, die Mietpreisexplosion in der Landeshauptstadt, die es für Azubis kaum noch möglich macht, bezahlbaren Wohnraum zu finden, oder auch die Mobilisierung gegen die Nato-Sicherheitskonferenz in München.

"Der Aktivenkreis der ver.di Jugend ist ne richtig coole Einrichtung", meint Paul Stoßberger, Mitglied des Aktivenkreises und Vorsitzender der JAV bei den Stadtwerken München: "Gelebte Solidarität über die Betriebsgrenzen hinaus, gegenseitiger Support und viele verschiedene Ideen und Anregungen."

Paul und die Aktiven bei den Stadtwerken arbeiten mit Unterstützung des Aktivenkreises an einer tariflichen Regelung für eine Azubi-Ballungsraum-Zulage für die dortigen Auszubildenden. Doch das ist nicht das einzige entsprechende Projekt. So hat das Gremium auf seiner Februarsitzung beschlossen, in den kommenden Wochen die dual Studierenden der Landeshauptstadt München bei ihrem Kampf um Tarifierung zu unterstützen. "Es kann schließlich nicht sein, dass die von aller Welt gewollten dual Studierenden keine tariflichen Leistungen bekommen, nur weil sie in den ‚zukunftsweisenden' Ausbildungsweg des Dualen Studiums eingestiegen sind. Gleiches Geld für gleiche Arbeit ist unsere Devise", erklärt Sandra Kasunic, die stellvertretende Vorsitzende der ver.di Jugend München.

Berufsschultouren, Aktionen, zum Beispiel gegen Leiharbeit, Anti-Nazi-Demos und Veranstaltungen, Unterstützung in Tarifkämpfen, Seminare und vieles, vieles mehr findet sich auf dem Plan. Gut zu sehen, wie viele junge Menschen in unserer Organisation so richtig Bock haben, was zu reißen und das Augenmerk auf die Bedürfnisse der jungen Beschäftigten und vor allem der Azubis zu lenken. Die Tatsache, dass Leute aus verschiedensten Branchen und Bereichen hierher kommen, um gemeinsam dagegen aufzustehen, dass Azubis und jung Eingestellte als das schwächste Glied der Kette behandelt werden, macht richtig viel Mut für die Zukunft.

Selbstverständlich ist der Aktivenkreis immer offen für neue Ideen und Anregungen. Alle, die Lust haben, ihre Ideen in die Gewerkschaftsarbeit einfließen zu lassen und sich mit uns für die Belange und Interessen junger Beschäftigter einzusetzen, sind hier jederzeit willkommen.

Ben Wermuth ist Jugendsekretär bei ver.di München

Der Aktivenkreis der ver.di-Jugend trifft sich an jedem zweiten Donnerstag im Monat ab 17 Uhr 30 im DGB-Haus München.


Nachgefragt: "Da rockt was"

Ben Wermuth

ver.di publik: Du bist seit 1. März der neue Jugendsekretär für ver.di in München. Was hast du dir vorgenommen?

Ben Wermuth: Für mich ist es wichtig, Azubis und junge Menschen nicht nur von ver.di zu überzeugen, sondern sie dafür zu begeistern. Wenn sie selbst ihre Ideen und Wünsche in die Betriebe und zu ver.di tragen, wird ver.di für junge Menschen attraktiv sein und bleiben.

ver.di publik: Welche Besonderheiten bei der Jugendarbeit in München gibt es?

Wermuth: Ich glaube, die größte Besonderheit ist, dass die Lebenshaltungskosten immens hoch sind. Ausbildungsvergütungen und Einstiegsgehälter, die in den meisten anderen Regionen Deutschlands ausreichen, reichen in München oft kaum, um Mieten zu bezahlen und ein Privatleben zu finanzieren. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Und an vielen Stellen bedeutet das, dass wir noch mehr innerbetriebliche Bewegung brauchen, als in den meisten anderen Städten in Deutschland.

ver.di publik: Was ist für dich die größte Herausforderung?

Wermuth: Die größte Herausforderung ist, dass den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb klar wird, dass viele Dinge veränderbar sind. Das Motto "Des is scho immer so g'wesn" muss nicht heißen, dass es auch immer so bleiben muss. Besonders freue ich mich auf die Vielfältigkeit unserer Jugendarbeit: Keine zwei Betriebe, egal ob Bank, Krankenhaus oder Verlag, sind gleich, und überall stehen andere Themen auf der Tagesordnung. Auch für mich selbst gibt es immer wieder etwas Neues zu lernen, und das macht Spaß und erweitert den eigenen Horizont immens. Schön zu sehen ist, in wie vielen Betrieben und Branchen wir als ver.di fester Bestandteil der Arbeitswelt sind und wie unglaublich viele Aktive in ihren Betrieben ver.di ihr Gesicht geben. Das rockt ziemlich.

INTERVIEW: Tina Scholze