von Silke Leuckfeld

"Grünes Licht für die Urabstimmung", das war am 28. Februar das Signal der ver.di-Tarifkommission Redakteur/innen an die Arbeitgeber. Als "Kampfansage" bezeichnete ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke die Vorstellungen des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV): Die 14.000 Redakteur/innen sollen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, Urlaubstage sollen gestrichen werden, Neueingestellte insgesamt für weniger Geld und mit einem schlechteren Manteltarifvertrag arbeiten. Der BDZV bot bei einer zweijährigen Laufzeit eines neuen Tarifvertrags lediglich 1,4 Prozent mehr Geld für das zweite Jahr an.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) in ver.di fordert 5,5 Prozent mehr Geld sowie die Einbeziehung von Onlinern in den Geltungsbereich der Tarifverträge, Verbesserungen im Manteltarif und eine Modernisierung der Ausbildung für Redakteur/innen an Tageszeitungen. Gemeinsam streikten rund 1100 Journalist/innen, Druckereibeschäftigte und Verlagsangestellte Mitte Februar, denn auch in der Druckindustrie fordert ver.di 5,5 Prozent mehr Geld. Auf den Arbeitgeberseiten der unterschiedlichen Berufsgruppen sitzen Vertreter derselben Konzerne, den großen Verlagen gehören auch die Zeitungsdruckereien. "Die Warnstreiks zeigen, dass auch die Beschäftigten der Druckindustrie eine Erhöhung erwarten, die vergleichbar mit der allgemeinen Lohnentwicklung ist", sagte Elke Lang von der Druckerei der Heilbronner Stimme. Doch davon sind die Arbeitgeber noch weit entfernt. In der dritten Verhandlungsrunde am 11. März boten sie für die Beschäftigten der Druckindustrie lediglich eine Lohnerhöhung um 1,8 Prozent zum 1. März 2014 und eine Einmalzahlung von 400 Euro zum 1. Januar 2015 an, bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten.

Offen wird es nicht ausgesprochen, doch die Drohkulisse vor allem des BDZV ist eindeutig: Erhalten die Beschäftigten mehr Geld, würden noch mehr Arbeitsplätze abgebaut oder tariffrei ausgelagert werden, noch mehr Betriebe würden künftig im jeweiligen Arbeitgeberverband in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wechseln. BDZV-Verhandlungsführer Georg Wallraf drohte: "Der Erhalt des Flächentarifvertrags hängt am seidenen Faden." Der BDZV hat eigene Ideen für die Tarifverträge unter dem glanzvollen Titel "Tarifwerk Zukunft" zusammengefasst. "Unser Tarifwerk Zukunft muss dem Strukturwandel, der in der Zeitungsbranche besonders tiefgreifende Auswirkungen hat, und einem völlig veränderten Wettbewerbsumfeld Rechnung tragen", so Georg Wallraf. "Die Verleger wollen schlicht sparen", sagt Renate Angstmann-Koch, Redakteurin und Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission, und: "Das kaschieren sie damit, dass sie von einem neuen Tarifwerk sprechen."

Die Arbeitgeber drohen mit Arbeitsplatzabbau

Sowohl in den Zeitungsverlagen als auch in den Druckereien haben die Beschäftigten Angst um ihre Arbeitsplätze. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Stellen gestrichen, große und kleine Unternehmen mussten aufgeben. Dennoch erwirtschaften zumindest die großen Konzerne weiterhin beachtliche Gewinne. Teilweise ist das allerdings nur schwer nachweisbar, da sie den Betriebsräten nicht wie in anderen Wirtschaftszweigen Einblick gewähren müssen. Die Verlage fallen unter den Tendenzschutz, Wirtschaftsausschüsse wie in anderen Großunternehmen sind die Ausnahme. "Es gab und gibt einen massiven Stellenabbau in den Redaktionen, dadurch haben die Verleger Personalkosten eingespart", so Renate Angstmann-Koch. Gleichzeitig führe der Personalabbau zu einer enormen Arbeitsverdichtung in den Redaktionen.

Unbestritten ist, dass die Verlags- und die Druckbranche sich im Umbruch befinden. Die Probleme der Branchen sind nur zum Teil strukturell, vieles ist hausgemacht. Der Siegeszug des Internets hat sowohl in den Zeitungsverlagen als auch in den Druckereien Spuren hinterlassen. Noch im Jahr 2000 verhandelte die damalige IG Medien für 200.000 Beschäftigte in der Druckindustrie, heute kämpft ver.di für rund 145.000 - Tendenz sinkend. Nicht nur, dass durch neue Maschinen weniger Beschäftigte benötigt werden, auch die weltweite Wirtschaftskrise 2009 führte zu einem Einbruch in der Druckindustrie. Zusätzlich gab es einen ruinösen Preiskampf im Tiefdruck, die großen Konzerne unterboten sich gnadenlos, nachdem zuvor Überkapazitäten aufgebaut worden waren. Die Zeche für diese verfehlte Strategie zahlten und zahlen die Beschäftigten: Im Jahr 2011 ging die Schlott-Gruppe, damals zweitgrößter Tiefdruckkonzern in Deutschland, in die Insolvenz. Betroffen waren 1500 Beschäftigte. Deutschlands Marktführer Prinovis, ein Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann und Axel Springer, will in diesem Jahr den Standort Itzehoe mit mehr als 1000 Beschäftigten schließen. Und die Insolvenz der Frankfurter Rundschau (FR) traf sowohl die Beschäftigten in Redaktion und Verlag als auch in der Druckerei: Obwohl die FR-Druckerei profitabel arbeitete, wurde sie geschlossen, 250 Beschäftigte verloren dort ihren Arbeitsplatz. Mit Verlag und Redaktion arbeiteten für die FR damals rund 500 Beschäftigte. Übrig blieb eine kleine Anzahl von nicht einmal 30 Redakteur/innen. Haupteigentümer der Frankfurter Rundschau war der Kölner Medienkonzern M. DuMont Schauberg, der für das Jahr 2012 einen Verlust in Höhe von 112,2 Millionen Euro vermeldete. Diese Summe sei unter anderem durch die Insolvenz der FR entstanden. Das Ergebnis für 2013 liegt noch nicht vor, der Verlag kündigte aber ein ausgeglichenes Ergebnis an.

Die alten Faustregeln gelten nicht mehr

Das sind nur Schlaglichter auf zwei Branchen, die durchaus widersprüchlich sind. Die Tageszeitungsverlage haben seit Jahren mit einem Leser- und Anzeigenschwund zu kämpfen. Früher galt die Faustregel: Zwei Drittel der Verlagsumsätze stammen aus der Werbung, ein Drittel aus dem Verkauf der Zeitungen. Heute sind die Verhältnisse umgekehrt. Nahezu der komplette Kleinanzeigenmarkt wanderte ins Internet ab, heute werden Autos und Wohnungen, aber auch Stellenanzeigen hauptsächlich auf eigenen Internet-Portalen angeboten. Diese Entwicklung haben die Verlage größtenteils schlichtweg verschlafen und Branchenfremden überlassen.

Ein Beispiel dafür ist die Scout24 Holding GmbH (Immobilienscout24.de, Autoscout24.de), die zunächst der Beisheim-Holding (Otto Beisheim, Metro) und anschließend der Deutschen Telekom gehörte. Der Axel-Springer-Verlag reagierte auf die Entwicklung mit einer Kehrtwende: Bis auf die Welt und die Bild wurden alle Tageszeitungen verkauft. Künftig will der Konzern sich auf das Digitalgeschäft konzentrieren, hat aber auch erst vor wenigen Wochen den Nachrichtensender N24 erworben. Die Tageszeitungen, unter anderem das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost, wurden an die Funke-Mediengruppe verkauft. Bisher waren die Beschäftigten bei Springer zum Großteil tarifgebunden; wie das in der Zukunft aussehen wird, ist ungewiss. Springer hat auch in der Vergangenheit mit den Blättern gutes Geld verdient, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen betrug allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres 427 Millionen Euro.


Die Zahlen

Bereits im Jahr 2006 wurde angegeben, dass ver.di für 14.000 Redakteur/innen mit dem Arbeitgeberverband BDZV über einen neuen Tarifvertrag verhandelt. Auch heute gehen beide Seiten von dieser Zahl aus. Ob sie tatsächlich noch stimmt, kann nur schwer überprüft werden. Tatsächlich wechselten zahlreiche Verlage in den vergangenen Jahren in die Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung. Eine Übersicht hat die dju in ver.di zusammengestellt:

http://dju.verdi.de/geld/auf-der-tarif-flucht

Offensichtlicher ist der Verlust von Arbeitsplätzen in der Druckindustrie: Im Jahr 2000 verhandelte die damalige IG Medien für 200.000 Beschäftigte, in der aktuellen Tarifrunde sind es nur noch rund 145.000.