Schlüssel für den Arbeitsmarkt ist der Deutschkurs. Nur einen Platz muss man erstmal haben...

Die Wirtschaft macht Druck: Arbeitgeberverbände und Kammern klagen über fehlende Fachkräfte. Ausbildungsplätze in weniger beliebten Branchen können nicht mehr besetzt werden. Nach den Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Bevölkerung im Erwerbsalter bis 2050 um ein Drittel sinken. Zugleich kommen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Sie sind im besten Arbeitsalter, über 20 Prozent haben eine qualifizierte Ausbildung, schätzt die Bundesagentur für Arbeit (BA). Doch in der Regel dauert es Jahre, bis sie eine Beschäftigung finden. Und dann meist eine unterhalb ihrer Qualifikationen.

Um herauszufinden, wie Akademiker und Facharbeiter unter den Asylbewerber/innen schneller dem hiesigen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten, hat die Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Februar 2014 das Modellprojekt "Early Intervention" (Frühe Vermittlung) gestartet. An sieben Standorten wurden die Qualifikationen neu eingereister Asylbewerber/innen erhoben. Noch bis zum Jahresende werden sie auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt beraten und begleitet.

Die Sprache ist der Schlüssel

Die wichtigste Erkenntnis ist wenig überraschend: "Die deutsche Sprache ist der Schlüssel für den Arbeitsmarkt", bestätigt Knut Börnsen, Pressesprecher der Hamburger Arbeitsagentur, dem Standort des Modellprojekts. Doch bislang dürfen Asylbewerber/innen an den intensiven Integrationskursen des BAMF nicht teilnehmen. Deshalb habe der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit die öffentliche Hand aufgefordert, "zusätzlich 300 Millionen Euro aus Steuermitteln dafür zur Verfügung zu stellen", so Eva Welskop-Deffaa, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Migration und Teilhabepolitik und ver.di-Vertreterin im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. Ohne zusätzliche, qualitativ hochwertige Sprachkurse laufen alle Versuche ins Leere, Asylbewerber/innen schneller für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

Das Bundesinnenministerium hat nun angekündigt, die Integrationskurse für Asylbewerber unter gewissen Bedingungen zu öffnen. Doch auch die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse müssen verbessert werden, und es fehlt in einigen Berufsgruppen noch an Anpassungsqualifizierungen, in denen die fehlenden Kenntnisse vermittelt werden.

Weg von der Abschreckung - hin zur Öffnung

Dennoch: Es ist eine Kehrtwende, die sich zurzeit in der bundesdeutschen Ausländerpolitik vollzieht. "Wir sind von der Philosophie der Abschreckung zu einer Philosophie der Öffnung umgeschwenkt", sagt Eva Welskop-Deffaa. So hat die Bundesregierung Ende 2014 den Zugang von Asylbewerber/innen zum Arbeitsmarkt erleichtert. Sie dürfen jetzt nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis beantragen. Vorher mussten sie neun Monate warten.

Zunächst aber muss eine Beschäftigungserlaubnis bei der Arbeitsagentur beantragt werden. Die wird erteilt, wenn kein deutscher oder EU-Bürger für die Arbeitsstelle geeignet ist. Für Hochqualifizierte und anerkannte Asylbewerber/innen entfällt diese "Nachrangigkeitsprüfung", für alle anderen gilt sie - volle 15 Monate.

Niedersachsen beginnt

Als erstes Bundesland macht Niedersachsen ernst mit der Veränderung: In Kooperation mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit startet das Land zum 1. Juli das Projekt "Kompetenzen erkennen - Gut ankommen in Niedersachsen". Dann beginnen in den vier Aufnahmeeinrichtungen des Landes je zwei Mitarbeiter der örtlichen Arbeitsagentur, Perspektivgespräche mit Asylbewerber/innen zu führen, direkt nach deren Ankunft. Dabei wollen sie herausfinden, ob die Männer und Frauen gesuchte berufliche Fähigkeiten mitbringen. Sie erfassen Schul- und Berufsabschlüsse, Arbeitserfahrungen und Sprachkenntnisse. Ob es auf diesem Wege gelingt, die Menschen nach ihrer Ankunft in den Kommunen schneller in Sprachkurse und Praktika oder zur passenden Anerkennungsstelle zu vermitteln, muss sich in der nächsten Zeit zeigen.

Flüchtlingsverbände kritisieren, dass die Teilnehmer/innen dieser Maßnahmen nach ihrem Herkunftsland und dessen Anerkennungsprognose ausgewählt werden - bevor die Entscheidung über den Asylantrag überhaupt feststeht. "Eine Aufteilung von Flüchtlingen nach pauschalisierender Betrachtung des Herkunftslandes, bevor ein unvoreingenommenes Asylverfahren durchgeführt wurde, ist eine Diskriminierung", sagt Günter Burkhardt von pro asyl.

Zum Weiterlesen: Studie der Bertelsmann-Stiftung: Lange Asylverfahren erschweren Flüchtlingen die Jobsuchewww.bertelsmann-stiftung.de


Das Wiener Beispiel: Magdas, das Hotel der Flüchtlinge

Hier sind nicht nur die Leute an der Rezeption, sondern auch Servicekräfte, Köch/innen und Reinigungskräfte mehrsprachig: Im Hotel Magdas, in bester Lage am Wiener Prater, arbeiten 20 Menschen aus aller Welt. Es sind Flüchtlinge und Asylbewerber, die bisher entweder nicht arbeiten durften oder sich mit schlecht bezahlten Jobs gerade so über Wasser halten konnten. Im Magdas bekommen sie die Chance, einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachzugehen oder eine Ausbildung zu absolvieren. Das Hotel mit 78 Zimmern hat im Februar 2015 seine Türen geöffnet und soll Begegnungsort für Flüchtlinge, Studenten und Touristen werden.

"Magdas" ist die Dachmarke für mehrere Social-Business-Projekte der Wiener Caritas. In allen Projekten werden Menschen mit geringeren Jobchancen in den Arbeitsmarkt integriert. www.magdas-hotel.at/home

Crowdfunding: www.crowdfunding.at/project/magdas-hotel