Es war wieder Zeit für einen politischen Rückblick und den Ausblick aufs neue Jahr: Rund 70 Vertreter/innen aus den ver.di-Fachbereichen und dem Landesbezirksvorstand bilanzierten zu Beginn des Jahres auf ihrer traditionellen Tagung die Themen von 2015 und schauten gemeinsam auf die Möglichkeiten und Herausforderungen für 2016.

Insgesamt führten im vergangenen Jahr 60 Tarifverhandlungen für Beschäftigte in Hamburger Betrieben zu mehr Lohn und Gehalt. 40 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt haben davon profitieren können, das sind 350.000 Frauen und Männer. Diese Arbeit wird in den Fachbereichen geleistet, vorbereitet und in den Betrieben umgesetzt - und das setzt sich auch in diesem Jahr fort.

Mindestlohn muss erhöht werden

Die Einführung des Mindestlohns, wenn auch mit Einschränkungen, hat dazu geführt, dass bisher besonders niedrig bezahlte Tätigkeiten aufgewertet wurden. Für diese Beschäftigten schafft die Festschreibung der unteren Lohngrenze eine neue Lebensqualität.

Nun geht es darum, den Mindestlohn weiter anzuheben. Gerade in Städten wie Hamburg sind 8,50 Euro pro Stunde zu niedrig angesetzt, um damit in Würde leben zu können.

Genauso wichtig wie die baldige Erhöhung des Mindestlohns ist die Eindämmung von Befristungen ohne Sachgrund, die Menschen in eine prekäre Lebenssituation stürzen. "Wir haben eine Zusage im Koalitionsvertrag, die besagt, dass sachgrundlose Befristungen soweit wie möglich im öffentlichen Bereich eingedämmt werden sollen", sagte ver.di-Landesbezirksleiter Berthold Bose auf der Jahresstarttagung. Doch bislang sei nichts passiert. Ein Staat müsse jedoch voran gehen, wenn er von der Gesellschaft etwas fordere.

Gegen Altersarmut

Niedrige Löhne, prekäre Arbeit und unterbrochene Erwerbsbiografien führen zu niedrigen Renten. Doch auch für Durchschnittsverdiener/innen ist es immer schwieriger, eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erreichen. Dazu müsste ein Durchschnittsverdiener, der 2030 abschlagsfrei in Rente geht, mindestens 31,5 Jahre in Vollzeit arbeiten, laut Untersuchungen des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Demnach gelten Haushalte als arm, die über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. Für Alleinlebende liegt die Grenze bei 892 Euro. Unter den Rentnern über 65 waren es im Jahr 2013 etwa 14,3 Prozent, die von weniger als 892 Euro leben müssen. ver.di Hamburg plant in einem Zusammenschluss mit Wohlfahrtsverbänden und Kirchen Projekte zu diesem Thema in der Stadt, um gemeinsam gegen die Armut anzugehen.

In seinem Vortrag zur Digitalisierung in der Dienstleistungsbranche gab Prof. Dr. Martin Grothe einen Überblick über die Herausforderungen, denen sich ver.di stellen muss. Wenn beispielsweise in Krankenhäusern durch die Automatisierung und Digitalisierung der Apotheken die Fehlerquote bei der Ausgabe von Medikamenten reduziert werden kann, so kann das die Arbeit erleichtern. Doch mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung der Wirtschaft wächst auch die Angst vor dem Arbeitsplatzabbau in der Gesellschaft. Das betrifft viele Branchen gleichermaßen. ver.di Hamburg bietet dazu eine Veranstaltungsreihe an: Arbeit 4.0, Risiken und Chancen der digitalen Arbeitswelt (siehe rechts).

Fazit und Ausblick

Tarifpolitisch war 2015 ein Jahr voller neuer Erfahrungen und Herausforderungen, darunter die langen Konflikte bei der Post und die Auseinandersetzung um die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst, die Tarifflucht von real und Karstadt im Einzelhandel. Auch bei der Integration von Geflüchteten in die Arbeitswelt spielen Vertrauensleute, Betriebs- und Personalräte eine wichtige Rolle. "Die Sorgen der Menschen müssen ernst genommen werden, doch es gibt keine Rechtfertigung dafür, mit Hass und Vorurteilen gegen Geflüchtete zu agieren", sagte Olaf Harms, der ehrenamtliche Vorsitzende des Landesbezirksvorstands, auf der Tagung.

Am Ende waren sich alle einig, dass sie die Zukunft und die Themen der Gewerkschaft nur dann gestalten können, wenn ver.di wächst. Dafür bedarf es natürlich auch junger Menschen - und viele ließen sich sicher als Mitglied gewinnen, hieß es auf der Tagung. "Wir müssen sie nur ansprechen!" Zum Abschluss zog Berthold Bose das Fazit: "Geschlossenheit ist unsere Stärke. Wir werden uns gegen jeden Versuch entschieden zur Wehr setzen, Beschäftigte, Betriebsräte und ver.di auseinanderzudividieren."

Veranstaltungsreihe Arbeit 4.0.

10. März: Digitale Arbeit. Anforderungen an eine neue Arbeitswelt. Lothar Schröder, ver.di-Bundesvorstand, Leiter des Fachbereichs Telekommunikation, Informationstechnologie & Datenverarbeitung. 17 Uhr 30

9. Juni: Arbeitsrecht im digitalen Wandel. Herausforderungen für den Schutz und die Rechte der Beschäftigten. Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Rechtswissenschaftler. 17 Uhr 30

10. Oktober: Hamburg - das deutsche Silicon Valley? Die Studie "Arbeit und Beschäftigung im norddeutschen Dienstleistungssektor". Dr. Judith Beile, Branchenforscherin, wmp consult. 17 Uhr 30

12. Dezember: Arbeiter_innenbewegung 4.0? Chancen und Probleme für Gewerkschaften in der digitalisierten Arbeitswelt. Ines Roth, Sozialwissenschaftlerin, und Karl-Heinz Brandl, ver.di- Bereichsleiter für Innovation und Gute Arbeit. 17 Uhr 30

Ort: Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 60, 9. Stock, Raum St. Georg. Anmeldungen: ressort1.hamburg@verdi.de