Die Nördlichen Sporaden im Mittelmeer sind sehr grün und vor allem im Sommer sehr beliebt. Doch auch auf Skiathos, der Insel der Reichen, ist die Krise des Landes längst angekommen

Sehen und Gesehenwerden im Hafen von Skiathos

Nur zwei Autos auf der ganzen Insel, und die liefern sich einen Unfall mit Totalschaden? Kann tatsächlich passieren. Die Geschichte wird gern von Reiseführern auf Alonnisos erzählt, einer von vier kleinen griechischen Inseln, die man die nördlichen Sporaden nennt. Der Crash passierte in den 70ern, als die Wagen gerade mal ein paar Wochen auf der Insel waren. Danach war die Insel für viele weitere Jahre erst einmal wieder autofrei. Auch heute verkehren nicht sehr viele Wagen auf Alonnisos, was schon von der Fähre aus zu sehen ist, wenn man im Hafen einläuft und die leeren, sich durch die ansteigende Landschaft schlängelnden Straßen betrachtet. Die Insel wirkt mit ihrem satten Mittelmeerkiefer-Wald auf dem Rücken beschaulich und ruhig, wie ein Rückzugsort. Der Duft der Kiefern hängt befreiend in der Luft.

Hingegen stechen im Hafen die dort täglich anlegenden Luxusyachten ins Auge. Hightech-Motorschiffe, die man anderntags im größeren und trubeligeren Hafen von Skiathos, einer der anderen Sporaden, wiedersehen kann. Wo sie wie schon auf Alonnisos wieder poliert werden, bis ihre äußere Hülle wie ein Spiegel glänzt. In den Cafés und Restaurants der Hafenpromenade wandern die Blicke der Gäste immer wieder zu ihnen hinüber, schauen sie den Schiffsjungen beim Arbeiten zu. Die Tische sind gut gefüllt um die Mittagszeit, so wie die Restaurants selbst auch. Die Sonne scheint, eine leichte Brise weht vom Meer unter die Markisen, es ist Urlaubszeit, alle lassen es sich gut gehen. Von der Krise, die Griechenland nun schon seit bald sechs Jahren den Boden unter den Füßen wegzureißen droht, ist auf den ersten Blick nichts zu sehen.

Die Insel des Onassis-Clans

Auf den nördlichen Sporaden, zu denen auch noch die Inseln Skopelos und Skyros gehören, stranden keine Flüchtlinge wie etwa auf den südlicheren Inseln Kos und Lesbos. Zu weit entfernt liegen die Sporaden von der Flüchtlingsroute im Mittelmeer. Dennoch: Auch da, wo einst der Onassis-Clan seit Ende der 60er Jahre auf einer vorgelagerten kleinen Insel residierte, der milliardenschwere Reeder Aristoteles Onassis die US-Präsidentenwitwe Jackie Kennedy heiratete, die Opernsängerin Maria Callas weiter als Geliebte empfing und auf seiner Yacht rauschende Feste feierte, ist die Krise des Landes hier und da sichtbar.

Fährt man in den Nordwesten der Insel, um zu den teils weniger besuchten Stränden der Insel zu gelangen, passiert man jedes Mal das Hundeheim der Insel, das vor allem auf Skiathos lebende Engländer auf Spendenbasis betreiben. Mit Beginn der Krise ist die Zahl der ausgesetzten Hunde kontinuierlich gestiegen, ist zu erfahren. Im Sommer werden auf der Insel mit rund 6.000 Bewohnern mittlerweile pro Monat im Schnitt 70 Hunde aufgepäppelt und gepflegt. Vormittags kommen zahlreiche Urlauber/innen vorbei, um die Hunde mit auszuführen, das können die rund um die Uhr im Dienst tätigen drei Frauen und zwei Männer allein längst nicht mehr leisten. Die Touristen spenden auch Futter, Reinigungsmittel und Papierrollen. Nur die Namen dreier Mischlingswelpen, die im vergangenen Juli über Nacht in einer Kiste vor dem Tor ausgesetzt wurden, erinnern an die Reichen, die die Insel bei ihren Besuchen eigentlich reich machen könnten: George Clooney, Brad Pitt und Orlando Bloom wurden sie wegen ihrer Ausstrahlung kurzum genannt.

Geburtstagsparty im teuersten Club

Auch etliche Bauruinen auf der ansonsten größtenteils grün bewaldeten Insel zeugen vom Einzug der Krise. Die in den letzten Jahren zurückgehende Zahl von rund 70.000 Touristen in den Sommermonaten, hat Investitionen in neue Unterkünfte jäh zum Stoppen gebracht. 2013 verkaufte auch Athina Onassis, die letzte Erbin der Familie, die kleine Familieninsel vor Skiathos, angeblich, weil ihr die Steuern und der Unterhalt für die Insel zu stark gestiegen waren. Trotz ihres Vermögens, mit dem sie nach Berechnungen des Guardian die Schulden mehrerer Dritte-Welt-Länder tilgen könnte, ist ihr offenbar nicht einmal an der Lösung einiger Probleme ihres Landes gelegen.

Abends beim Essen in der Taverne von Lia, gelegen an der Straße, die die Strände des Südens miteinander verbindet, kann man gelegentlich auch einen Enkelsohn des ebenfalls milliardenreichen Stavros Niarchos mit seiner Freundin beim Essen antreffen. Sie machen Urlaub, mieten sich für eine Geburtstagsparty den teuersten Club vor Ort und reisen dann wieder ab über den Atlantik in die USA, ihre Wahlheimat. Im Februar 2015 schrieb das Handelsblatt über die griechischen Milliardäre: "Sie kontrollieren mehr als 15 Prozent des weltweiten Seehandels - aber nur 862 ihrer 3.760 Schiffe werden versteuert. Diese reichen griechischen Reeder zahlen praktisch keine Steuern."

Im Krankenhaus fehlt Material

Dabei könnten Steuereinnahmen auch auf Skiathos helfen. Im Krankenhaus der Insel, das seit Jahren auf eine Renovierung zu warten scheint, behandelt der Kinderarzt uns zwar umsonst und nicht ohne zu erwähnen: "Sagen Sie Frau Merkel, wir sind ein reiches Land." Dennoch macht am Eingang zu dem kleinen einstöckigen Flachbau, der wie ein großer Container wirkt, ein Schild darauf aufmerksam, dass momentan keine Röntgenbilder gemacht werden können, weil das Material dafür fehle.

Auch in den Supermärkten bleiben immer mal wieder Regale leer, weil nicht genug Geld für den Einkauf der Waren da ist. Andererseits gibt es Boutiquen mit teurer Designerkleidung, in die die Reichen von ihren Yachten aus zum Shoppen einfallen. An einem Abend liegt die Tacayunaso M.S. im Hafen, eine Luxusyacht, die - wie eine kurze Recherche im Internet ergibt - im Steuerparadies der Cayman Islands zugelassen ist. Auf ihr ist in 16 Suiten Platz für 18 Menschen, allein 34 Menschen kümmern sich um deren Wohlbefinden, die Technik, die Steuerung und die glänzende Oberfläche. Mit vollgepackten Taschen, als wären Teenager hierzulande beim Klamotten-Discounter Primark eingefallen, kehren die Reisenden im Dunkeln auf ihr Schiff der S-Klasse zurück. Das Internet gibt auch Auskunft über die Route. Von Alonnisos ist die Tacayunaso gekommen, ihr nächstes Ziel ist Istanbul. Steuerfrei passiert sie die Route der Flüchtlinge.