In dem Beifall lag Nachdruck. Er galt dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske, als er Ende Juni vor dem ver.di-Gewerkschaftsrat die Position der Gewerkschaft zur Rentenpolitik zuspitzte. "Wir brauchen einen Kurswechsel in der Rentenpolitik", sagte Bsirske, "die Talfahrt des Rentenniveaus muss gestoppt werden. Das gesetzliche Rentenniveau muss stabilisiert und dann wieder angehoben werden." Es sei nicht zu akzeptieren, dass langjährige Beitragszahler mit Renten in den Ruhestand geschickt würden, die nicht einmal das Niveau der Grundsicherung erreichten. "Nach jahrzehntelanger Arbeit muss die Rente reichen, um ein anständiges Leben zu führen und mit Würde alt werden zu können", sagte Bsirske.

Zuvor hatte er an einem Beispiel aufgezeigt, wohin die vor rund 15 Jahren noch unter Rot-Grün eingeleitete und von sämtlichen folgenden Bundesregierungen unbeirrt fortgesetzte "Große Rentenreform" mittlerweile führt. Beschäftigte des Jahrgangs 1964 etwa, die im Jahr 2012 ein Einkommen von 2.500 Euro brutto hatten, würden nach 40 Arbeitsjahren eine gesetzliche Rente von 786 Euro bekommen. Das geht aus einer Tabelle des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahre 2012 hervor. Und da jeder dritte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Jahr 2012 weniger als 2.500 Euro brutto verdient habe, so rechnete Bsirske vor, würden 11 oder gar 12 Millionen Beschäftigte nicht einmal eine Rente auf Hartz IV-Niveau erreichen können. "Was da tickt, ist keine demographische Zeitbombe, sondern eine soziale Zeitbombe, und die muss entschärft werden", so Bsirske. Dabei steht für ver.di wie auch für die übrigen DGB-Gewerkschaften eine Stärkung der gesetzlichen Alterssicherung an oberster Stelle. "Entscheidend ist und bleibt die gesetzliche Rente", sagte Bsirske, da helfe auch die Riester-Rente nicht, die sei gescheitert.

Mit der Einleitung ihres Rentenreformwerks hatte Rot-Grün seinerzeit erklärtermaßen die zuvor über Jahrzehnte gültige Maxime aufgegeben, die gesetzliche Rente möge im Alter den Lebensstandard sichern. Stattdessen wurden die Riesterschen Kürzungsfaktoren und die kontinuierliche, politisch gewollte Senkung des Rentenniveaus ins Gesetz geschrieben.

Was es längst schon gab

Dem Lebensstandard zugute kommen und vor Altersarmut schützen sollte die parallel eingeführte staatlich geförderte private Altersvorsorge, die Riester-Rente. Es habe sich gezeigt, so Frank Bsirske, angesichts "niedriger Zinsen, intransparenter Riester-Produkte und hoher Provisionsgebühren lohnt sich das Riestern nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass diejenigen, die es am dringendsten bräuchten, es sich am wenigsten leisten können".

Zu dem Ziel, die gesetzliche Rente wieder stark zu machen, gehört auch die Forderung der Gewerkschaft, Zeiten des Niedriglohnbezugs in einem Erwerbsleben und Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Berechnung der gesetzlichen Rentenansprüche aufzuwerten. Und sozialpolitisch vernünftige Regelungen, die es längst schon einmal gab, sollen künftig wieder Geltung erhalten: "Die Rente nach Mindesteinkommen - so wie es sie schon einmal gab - würde helfen, Altersarmut wirkungsvoll entgegenzuwirken. Das würde insbesondere vielen Frauen, Arbeitslosen und Menschen mit geringen Löhnen helfen", sagte der ver.di-Vorsitzende.

Für die Umkehr in der Rentenpolitik beginnen die DGB-Gewerkschaften im September mit einer groß angelegten, gemeinsamen Kampagne. Die wird mindestens bis zur Bundestagswahl dauern, und wenn nötig auch darüber hinaus.