Warnstreik gegen zehn Jahre Tarifflucht

"10 Jahre Tarifflucht sind genug!" stand am Eingang des Klinikgebäudes, vor dem sich Beschäftigte des Charité Facility Management (CFM) am 7. September zum Warnstreik trafen. Es waren weniger als erwartet. Doch die kamen, sind entschlossen. Sie wollen das ewige Lohndumping beenden und fordern, dass für alle 2.800 Servicekräfte der Tarifvertrag der Charité angewendet wird. Mit Transparenten wie "Ohne uns läuft keine OP!" zogen die Streikenden deshalb bis vors Rote Rathaus.

In der Grauzone

Um Geld zu sparen, drängte der Berliner Senat das Uniklinikum im Jahr 2006, viele Beschäftigte auszulagern: Reinigungskräfte, Sicherheitsdienste, den Krankentransport, das Cateringpersonal, Fachkräfte, die Instrumente sterilisieren, Boten und Techniker. Fast alle gerieten dadurch in die Tariflosigkeit. Nur die Charitébeschäftigten, die einst mit ihren Verträgen in die Facility-Management-Gesellschaft übergegangen waren, fahren weiter erster Klasse: Sie sehen einige Hundert Euro monatlich mehr auf ihrem Konto. Alle anderen wünschen sich auch endlich Löhne, die zum Leben reichen.

Zum Beispiel die Reinigungskräfte. "Bei Zuschlägen oder Urlaub gibt es Abzüge", sagt Ben Bawer. Mit einer 39-Stunden-Woche komme er auf 1.100 Euro brutto. "Doch viele arbeiten nicht in Vollzeit, sie müssen aufstocken."

Für die Sicherheitskräfte gilt ein regionaler Tarif. "Der nützt aber wenig, weil CFM uns falsch eingruppiert, quasi wie Hilfsarbeiter", sagt Werner Dieke empört. "Wir sind alle ausgebildet", ergänzt Damian Hilbig. Er habe einen IHK-Abschluss. Die anspruchsvolle Arbeit bei der Alarmverfolgung, im Personenschutz oder auf dem Hubschrauberlandeplatz werde von CFM herabgestuft. "Die nutzen Grauzonen aus, auch bei den Arbeitszeiten."

Als "Küchenhilfen" werden die Cafeteria-Mitarbeiter vom Campus Mitte bezahlt. "Wir bereiten aber nicht nur kleine Gerichte zu, wir stehen auch an der Kasse." Mit 48 Cent Kassierzuschlag kommen sie auf 10,04 Euro pro Stunde, sagen Diana Bruhnke und Andreas Grünberg. Demnächst sollen sie zusätzlich noch Lotto-Scheine annehmen. Arbeitsverdichtung herrscht auch in der Logistik.

"Typisch" nennt ver.di-Verhandlungsführer Kalle Kunkel diese Schilderungen. Er weiß auch, dass in diesem Sommer Aufgaben der Facility Management Gesellschaft an private Dienstleister verlagert wurden. Der Betriebsrat geht juristisch dagegen vor, weil die betriebliche Mitbestimmung übergangen wurde.

CFM sei der größte tariffreie Betrieb im Verantwortungsbereich des Landes, sagt Kunkel. "Im Berliner Wahlkampf war viel von guter Arbeit und dem Ende von Ausgliederungen die Rede. Wir wollen Taten sehen."In der dritten Verhandlung am 9. September erfüllte sich diese Erwartung nicht. Das Arbeitgeberangebot listete die Entgelte auf, die schon gezahlt werden; geringe Steigerungen ab 2017 wurden nur für Logistik und Sicherheit in Aussicht gestellt. Dafür sollen alle Beschäftigten Verschlechterungen bei Arbeitszeiten und Befristungen hinnehmen. "Inakzeptabel", so Kunkel. Wie man darauf antworte, werde man jetzt intensiv mit den Mitgliedern beraten. Helma Nehrlich