Demonstration in Rostock zum Kindertagesforderungsgesetz

Sabine Lünert leitet eine AWO-Kita in Ludwigslust. Sie ist Vertrauensfrau, Sprecherin ihrer Betriebsgruppe und Mitglied der Tarifkommission. Sie weiß, was Erzieher/innen leisten und wie wichtig eine Aufwertung des Berufes ist. "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren!", ruft Sabine Lünert den mehr als 200 Erzieher/innen zu, die am 10. Juni in Rostock gegen das geplante Kindertagesförderungsgesetz (KiföG) in Mecklenburg-Vorpommern auf die Straße gegangen sind. Die Botschaft der bunten und lauten Demonstration an die SPD-CDU-Landesregierung: Nein zur Absenkung der Qualifikationsniveaus in den Krippen und Kitas, Ja zu einer besseren Personalausstattung.

Neue Ausbildung

Statt den zunehmenden Anforderungen der frühkindlichen Bildung Rechnung zu tragen, will die Große Koalition mit dem Hinweis auf den Fachkräftemangel eine drei Jahre dauernde, praxisorientierte Ausbildung einführen, die zunächst mit dem Abschluss einer "staatlich geprüften Fachkraft in Kindertagesstätten" enden sollte. Durch den gewerkschaftlichen Druck soll die Ausbildung nun mit dem Abschluss "staatlich anerkannte/r Erzieher/in" und dem Zusatz "0 - 10 Jährige" enden. Dass eine neue dreijährige Ausbildung der vierjährigen staatlich anerkannten Ausbildung im Gesetz lediglich durch einen Zusatz gleichgestellt werden kann und bundesweit anerkannt werden wird, bezweifeln Gewerkschaftsvertreter allerdings. Wenn es den neuen Berufsabschluss nur in Mecklenburg-Vorpommern geben sollte, stellt sich die Frage, wie die Beschäftigten einen Job in einem anderen Bundesland finden. Und: Wie sollen sie bezahlt werden?

Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) wären sie bis zu vier Entgeltgruppen niedriger eingestuft als staatlich anerkannte Erzieher/innen. "Statt der dringend nötigen Aufwertung drohen in den Kitas mittelfristig Gehaltskürzungen", so der Schweriner ver.di-Sekretär Ivo Garbe. "Es kann nicht sein, dass Mecklenburg-Vorpommern in der frühkindlichen Bildung auf Billiglöhne setzt."

Bildungsministerin Birgit Hesse, SPD, begründet ihren Plan ausgerechnet mit einem Verweis auf Baden-Württemberg, wo das neue Ausbildungsmodell bereits umgesetzt sei. Garbe hält dagegen, dass die Auszubildenden dort weiterhin nach vierjähriger vollwertiger Ausbildung den Titel der "staatlich anerkannten Erzieher/in" erwerben. Zudem könnten die Ausgangsbedingungen in beiden Bundesländern kaum unterschiedlicher sein. So müsse eine Fachkraft im Nordosten etwa doppelt so viele Kinder betreuen. Dieses Verhältnis soll nun noch schlechter werden: Laut Gesetzesnovelle werden Auszubildende ab dem ersten Tag mit 30 Prozent einer Fachkraft auf den Stellenschlüssel angerechnet und in den folgenden Ausbildungsjahren mit 40 und 50 Prozent. Das ist schon deshalb absurd, weil sie im ersten Ausbildungsjahr und falls sie minderjährig sind, nicht eigenverantwortlich arbeiten dürfen. "Die ohnehin große Arbeitsbelastung in den Krippen und Kitas wird dadurch weiter zunehmen", ist Garbe überzeugt.

Voraussichtlich im Juli wird im Schweriner Landtag über den Gesetzentwurf abgestimmt.