Auch osteuropäische Lkw-Fahrer können in Deutschland Anspruch auf Mindestlohn haben

Für rund 550 Euro im Monat hat der tschechische Lkw-Fahrer Jiri Gabrhel Briefsendungen von Frankfurt/Main nach Salzburg gefahren. Angestellt war er bei einer Tochter einer österreichischen Spedition mit Sitz in Prag, Tschechien. Die Spedition hatte als Sub-Sub-Unternehmen diesen Auftrag von der Deutschen Post übernommen. Das ist kein Einzelfall. Auf deutschen Autobahnen sind viele Lkw mit osteuropäischen Kennzeichen unterwegs, die Fahrer sind angestellt bei ortsansässigen Unternehmen oder osteuropäischen Filialen westeuropäischer Speditionen.

So wie Jiri Gabrhel. Durch ein Flugblatt, das ihm Polizisten gegeben hatten, wurde er 2015 auf die ungleiche Bezahlung aufmerksam. Fortan notierte er sich genau, wann er in Deutschland unterwegs gewesen und wann er für die Deutsche Post gefahren ist, wo er geparkt und wo er be- und entladen hat. Im Mai 2017 reichte er, unterstützt durch den ver.di-Rechtsschutz, Klage beim Arbeitsgericht in Bonn ein. Er machte eine Nachzahlung von rund 8.300 Euro netto geltend, zuzüglich Zinsen. Grundlage dafür ist die im Mindestlohngesetz verankerte Auftraggeberhaftung.

In einem Gütetermin Anfang Oktober konnte keine Verständigung erzielt werden. Dabei hatte sich die Deutsche Post laut einer Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Bonn darauf berufen, hohe Anforderungen an die von ihr als "Servicepartner" bezeichneten Auftragnehmer zu stellen - gerade was die Zahlung des Mindestlohns angehe. Das Unternehmen war auch der Meinung, dass von ihr gezahlte Zulagen auf den Mindestlohn angerechnet werden müssten. Daraufhin wurde für Anfang März ein Kammertermin angesetzt. Kurz zuvor überwies die Deutsche Post Jiri Gabrhel die von ihm geforderte Summe, stellte den Lkw-Fahrer so klaglos. Damit war das Verfahren beendet.

"Der Fall des tschechischen Lkw-Fahrers zeigt, dass es sich lohnt, als Betroffener nicht locker zu lassen und auf die Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz zu bestehen", sagt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Sie zollt dem Mut des Fahrers Respekt. Gerade für Beschäftigte, die sich finanziell oder bezogen auf ihr Arbeitsverhältnis in einer prekären Lage befänden, sei es ein schwerer Schritt, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Heike Langenberg