Berthold Bose

Verkäufer/innen, Friseur/innen, Pflegekräfte – sie alle und viele weitere Beschäftigte im Dienstleistungsbereich arbeiten in Hamburg für geringste Löhne, die Arbeitgeber nach ihren individuellen Vorstellungen bestimmen. Diese Löhne reichen in aller Regel nicht zum Leben in Hamburg. Damit Vollbeschäftigte in Hamburg nicht mit Hartz IV aufstocken müssen, benötigen sie mindestens einen Stundenlohn von 10,56 Euro. Aber ein Leben in Würde ist selbst damit kaum möglich.

Dass in diesen Branchen Tarifverträge nicht mehr schützen und einen angemessenen Lohn, Urlaub und Arbeitszeiten regeln, liegt an einem systematischen Entzug der Sozialpartnerschaft seitens der Arbeitgeber. Um billig am Markt zu bleiben, werden Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden gekündigt oder die Tarifpartnerschaft in diesen Verbänden aufgelöst. Die große Zahl an Geringverdiener/innen in Hamburg wird durch das Agieren der Arbeitgeber verursacht. Im Einzelhandel sind aktuell nur noch rund 14 Prozent der Arbeitgeber tarifgebunden. Bei den Hamburger Pflegediensten sind in der ambulanten Pflege 88 Prozent der Betriebe und in der stationären Pflege 42 Prozent der Betriebe ohne Tarifbindung.

Gute Arbeit hat ihren Preis

Die Auswirkungen der „Geiz ist geil Mentalität“, etwa bei Elektroartikeln oder Lebensmitteln, produzieren eine anonyme Armut in Ländern wie Indien, Pakistan oder Afrika. In der Dienstleistung wohnen die Betroffenen nebenan. Sie sind unsere Nachbarn und Bekannte oder Teil unserer eigenen Familie. Es ist eine Frage der Haltung, ob wir die Flucht aus fairer Entlohnung akzeptieren oder nicht. Gute Arbeit hat ihren Wert und ihren Preis!

Es ist an der Zeit, diesen Kreislauf der Billigmentalität zu durchbrechen und die Flucht aus fairen Tarifen zu unterbinden. Es braucht eine Verpflichtung der Arbeitgeber durch die Gesellschaft, Tarife einzuhalten. Ein Ausweg kann die Vereinfachung einer Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sein. Wenn ein Tarifvertrag gesetzlich für allgemeinverbindlich erklärt wird, müssen alle Unternehmer/innen dieser Branche diese Tarife anwenden – egal ob sie in einem Verband organisiert sind oder nicht.

Aktuell müssen allerdings die Arbeitgeberverbände einer solchen gesetzlichen Regelung zustimmen, und daran scheitern diese Anträge regelmäßig. Deshalb muss das Verfahren geändert werden und das soziale Interesse des Staates auch gegen die Meinung von Arbeitgeberverbänden den Ausschlag geben.

Ein Hamburger Mindestlohn von 12 Euro ist ein richtiger Schritt des Senats, um eine Existenzsicherung im Einflussbereich des öffentlichen Dienstes einzuläuten. Diese Kehrtwende brauchen wir auch in der Wirtschaft.