Das 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts vor der Anhörung zu den Verfassungsbeschwerden

Dürfen Beamt/innen streiken? Nach Ansicht des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht. Er hat am 12. Juni die entsprechenden Verfassungsbeschwerden von vier Lehrern abgewiesen. ver.di bedauert diese Entscheidung, mit der das Gericht den Beamt/innen nicht die volle Koalitionsfreiheit einschließlich des Rechts auf Streik zugesteht. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Pieper verweist dabei auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und die Koalitionsrechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Karlsruher Richter/innen halten hingegen Einschränkungen unter den besonderen Bedingungen des Beamtenstatus’ für geboten.

Aber nicht ohne einen Ausgleich

Das Gericht hatte auf das besondere Treueverhältnis von Beamt/innen zum Staat hingewiesen. Im Gegenzug hätte der Staat eine besondere Fürsorgepflicht ihnen gegenüber. Das würde nach Ansicht der Karlsruher Richter/innen durch das Streikrecht in Frage gestellt. Eine Einschränkung allein wegen des Beamtenstatus’ hält Wolfgang Pieper nach wie vor für bedenklich. „Die Koalitionsfreiheit bis hin zum Recht auf Arbeitskampf ist und bleibt ein Menschenrecht“, sagt der Gewerkschafter.

Er weist darauf hin, dass die Richter/innen zugleich klar entschieden hätten, dass Einschränkungen der Koalitionsfreiheit durch den Beamtenstatus nicht ohne Ausgleich erfolgen dürften. Damit habe das Gericht einer willkürlichen Besoldungspolitik, die Anfang der 2000er Jahre zu drastischen Einschnitten in die Bezahlung der Beamt/innen per Gesetz geführt hatte, einen klaren Riegel vorgeschoben.

Bessere Beteiligungsrechte

Das Verfahren habe unterstrichen, dass es zur Kompensation des Streikverbots substanzieller Beteiligungsrechte bedürfe, damit die Beamt/innen ihre Forderungen und Rechte zur Geltung bringen können. In der Vergangenheit wurden beamtenrechtliche Regelungen selbst dann erlassen, wenn die Gewerkschaften im Beteiligungsverfahren nachweisen konnten, dass sie erkennbar rechtswidrig sind. Die Beteiligungsrechte müssten nach dem Grundsatz „Verhandeln statt Verordnen“ ausgebaut werden.

„Unabhängig davon, ob ein möglicher Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg verspricht oder nicht, markiert die Entscheidung aus Karlsruhe nicht das Ende einer aktiven Politik von und mit Beamtinnen und Beamten“, sagt Nils Kammradt, Bundesbeamtensekretär beim ver.di-Bundesvorstand. ver.di müsse jetzt erst recht schauen, wie und bis zu welchem Punkt sich Beamt/innen aktiv in Tarif- und Besoldungsrunden einbringen könnten. Das habe in den vergangenen Jahren bereits ohne Streikrecht funktioniert. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen eine solidarische Gemeinschaft bilden“, sagte er. Dann werde das Kalkül der Arbeitgeber, die Beschäftigten gegeneinander auszuspielen, nicht aufgehen. Die Entscheidung betrifft die rund 1,7 Millionen Beamt/innen bei Bund, Ländern und Kommunen sowie 80.000 Beamt/innen bei den Postnachfolgeunternehmen Telekom, Post und Postbank, die jetzt Bestandteil des Deutsche-Bank-Konzerns ist.

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