Europa ja, aber sozialer muss es werden, sagen die Gewerkschaften

In Deutschland ist am 26. Mai Wahltag. Dann werden nicht nur in neun Bundesländern Kreis-, Stadt- und Gemeindevertretungen sowie die Bremische Bürgerschaft gewählt, bundesweit stimmen die Wahlberechtigten auch über die 96 Abgeordneten ab, die Deutschland zukünftig im Europäischen Parlament vertreten sollen. Auch in den anderen 26 Mitgliedsländern* wird zwischen dem 23. und 26. Mai gewählt. Was macht die Wahl besonders?

Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der EU. Schaut man sich weltweit um, gibt es keine andere überstaatliche Institution, die direkt gewählt wird. Gleichzeitig hat sich das Parlament seit seiner Gründung im Jahr 1952 seinen Einfluss auf die Belange der EU beharrlich erweitert. So kann es unter anderem heutzutage starken Einfluss nehmen auf die europäische Gesetzgebung und die Besetzung der EU-Kommission, einer Art EU-Regierung. Direkt gewählt wird das EU-Parlament übrigens erst seit 1979. Derzeit vertritt es die Interessen von rund 500 Millionen Menschen.Wer wird gewählt?

In den 27 EU-Mitgliedsstaaten* werden Parlamentarier*innen entsprechend der Größe der Bevölkerung gewählt, jedes Land ist aber mit mindestens sechs Abgeordneten vertreten. Dazu treten die im Land vertretenen Parteien jeweils mit nationalen Listen an. Deutschland stellt mit 96 Vertreter*innen die größte Länder-Gruppe. EU-weit werden im Frühjahr 705 Mandate vergeben. Im EU-Vertrag ist ihre Höchstzahl auf 750 begrenzt. Das EU-Parlament hat seinen Sitz in Straßburg, tagt im Wechsel aber auch in Brüssel.Gibt es Fraktionen im EU-Parlament?

Derzeit gibt es acht Fraktionen im europäischen Parlament sowie 22 fraktionslose Abgeordnete. Die Parlamentarier*innen schließen sich darin länderübergreifend nach politischen Richtungen zusammen. Aktuell bilden die 217 Mitglieder der Europäischen Volkspartei, EVP, die größte Fraktion, aus Deutschland gehören ihr die 34 Abgeordneten von CDU und CSU an. Aber im EU-Parlament fehlt der aus dem Bundestag bekannte Gegensatz zwischen Fraktionen, die die Regierung beziehungsweise die Opposition bilden. Je nach Abstimmungsthema entstehen wechselnde Mehrheiten. Auch daher ist es wichtig, sich vor der Wahlentscheidung genau die Positionen der einzelnen Parteien anzusehen, die zur Wahl stehen. Aus ihrer Mitte heraus wählen die Parlamentsmitglieder ein Präsidium und einen Präsidenten oder eine Präsidentin. Derzeit ist das der Italiener Antonio Tajani, EVP.

Wie beeinflusst das Parlament die Zusammensetzung der EU-Kommission?

Zum einen wählt das Parlament den Präsidenten beziehungsweise die Präsidentin der EU-Kommission. Derzeit ist das der Luxemburger Jean-Claude Juncker. Er wurde vom Europäischen Rat** vorgeschlagen. Der muss dabei das Wahlergebnis berücksichtigen – sprich der*die Spitzenkandidat*in der Fraktion, die europaweit die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Zum anderen bestätigt das Parlament die Liste der EU-Kommissar*innen, also der Mitglieder der Kommission. Jedes EU-Land schlägt einen Kommissar oder eine Kommissarin vor. Zugestimmt werden muss der gesamten Liste dann vom EU-Parlament, aber erst nachdem die Vorgeschlagenen eine Anhörung durch die jeweiligen Fachausschüsse des Parlaments bestanden haben. Für welchen Fachbereich die Kommissar*innen zuständig sein sollen, entscheidet deren Präsident*in. Die Aufgaben der EU-Kommission sind mit denen einer Regierung vergleichbar.

Wie kann das Europäische Parlament Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen?

Das Europäische Parlament ist eines der beiden gesetzgebenden Gremien derEuropäischen Union. Gemeinsam mit den Vertretern der Regierungen der Mitgliedsstaaten, dem Rat der Europäischen Union**, ist es für den Erlass von Rechtsvorschriften zuständig, die wiederrum in den einzelnen Ländern in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Vorgeschlagen werden können die Rechtsvorschriften allein von der Europäischen Kommission. Häufig kommt es zu weitreichenden Änderungsverfahren. Weil diese oft zeitraubend sind, wird ein Teil der Vorschläge vorab in sogenannten informellen Trilogverfahren verhandelt. Dann sitzen Vertreter*innen aller drei Gremien an einem Tisch und versuchen bereits vorab Kompromisse zu finden. Allerdings gibt es Bereiche wie die Wettbewerbs- oder die Außen- und Sicherheitspolitik, in denen die Mitspracherechte des Parlaments noch nicht so weit gehen.

Doch das Europäische Parlament kann viel bewegen. Oft betreffen die Entscheidungen auch die Arbeits- und Lebenswelt, zum Beispiel über soziale Rechte, Arbeitszeiten oder gleiche Löhne, aber auch über Umwelt- oder Verbraucherrechte. Daher ist es wichtig, dass im EU-Parlament Politiker*innen sitzen, die sich für Gerechtigkeit stark machen.Was gehört noch zu den Aufgaben des EU-Parlaments?

Das EU-Parlament stimmt ebenso wie der Rat der EU** über den Haushaltsentwurf ab, den die EU-Kommission vorlegt. Außerdem kontrolliert das Parlament die anderen beiden Gremien. Es kann auch Untersuchungsausschüsse einsetzen oder Klagen beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Alle EU-Institutionen müssen dem Parlament regelmäßig Bericht erstatten. Außerdem können die Parlamentarier*innen parlamentarische Anfragen an die Kommission und den Rat stellen, mündlich wie schriftlich. Das ist ein weiteres Mittel, um politische Themen in der Diskussion zu halten.


* Bei der Zahl der Mitgliedsstaaten gehen wir davon aus, dass Großbritannien aus der EU austritt. Eine Entscheidung darüber war bei Redaktionsschluss noch nicht gefallen. Durch den Austritt verringert sich die Zahl der Parlamentarier*innen um 46 im Vergleich zu den letzten Wahlen 2014.

** Unterschieden wird zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Rat. Der Erstgenannte wird auch Ministerrat genannt und repräsentiert die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Sie übernehmen für je ein halbes Jahr dessen Leitung. Derzeit hat Rumänien die Ratspräsidentschaft inne. Der Rat tagt für unterschiedliche Politikbereiche auf Ministerebene. Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten.Sie treffen sich mindestens zwei Mal pro Halbjahr. Als übergeordnete Institution sollen sie Impulse für die EU-Politik geben oder bei Konflikten zwischen Staaten Kompromisslinien finden.