Die Real-Beschäftigten warnen ihre Geschäftsführung – keinen Verkauf um jeden Preis

Für die noch rund 33.000 Beschäftigten der SB-Warenhauskette Real hat das neue Jahr begonnen, wie das alte endete: mit viel Unsicherheit über ihre Zukunft. Klar ist nur, dass der Metro-Konzern, Eigentümer von Real, sich so bald wie möglich von den knapp 280 Warenhäusern trennen will. Zur „Attraktivitätssteigerung“ der unrentablen Kette beschloss die Real-Geschäftsleitung bereits im vergangenen Juni die Flucht aus den mit ver.di geschlossenen Tarifverträgen.

Als „Programm der Lohnarmut“ bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske Reals Vorgehen bei einer bundesweiten Protestveranstaltung Ende November in Düsseldorf. Denn nach der Aufkündigung der Tarifbindung schloss Real eine Vereinbarung mit der Scheingewerkschaft DHV (Deutscher Handelsgehilfenverband) ab, wonach Löhne und Gehälter um rund 30 Prozent unter den Tarifentgelten liegen. Seitdem gelten zwar für die bereits bei Real Beschäftigten noch die alten Verträge, doch alle Neueingestellten erhalten den geringeren Lohn. Außerdem hat das Unternehmen seit dem vergangenen Sommer rund 4.500 Arbeitsverträge mit befristet angestellten Mitarbeiter*innen nicht verlängert.

Wer Real erwerben wird, ist im Moment noch offen. Metro-Chef Olaf Koch hatte die Absicht bekundet, die Warenhauskette im Ganzen zu verkaufen. Das liegt auch im Interesse von Beschäftigten, Betriebsräten und ver.di. „Es darf beim Verkauf nicht nur darum gehen, Geld in die Konzernkasse zu spülen“, betonte Stefanie Nutzenberger, ver.di-Vorstandsmitglied für den Handel. Nötig sei ein umsichtiger Investor, der Rücksicht auf eine „positive Entwicklung des Unternehmens und auf die Existenzen der Beschäftigten“ nehme. Unter den Kaufinteressenten befanden sich bisher nach einem Bericht der Lebensmittelzeitung vor allem Finanzinvestoren. Und denen gehe es wohl eher um die 65 Real-Immobilien, die dem Metro-Konzern gehören. Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, dass der US-amerikanische Onlinehändler Amazon Real übernehmen möchte.

Die Beschäftigten und ver.di halten weiter dagegen. Immerhin solidarisierten sich auch etliche Politiker*innen mit ihrem Kampf für sichere Arbeitsplätze und tarifliche Bezahlung. So nahm Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an der Großkundgebung Ende November teil und verwies darauf, dass es bei Real wie insgesamt im Handel wieder mehr Tarifbindung geben müsse. Vor Weihnachten sagte der Minister in einem Gespräch mit Betriebsräten von Real und ver.di-Vertretern zu, dass er sich beim Arbeitgeberverband im Handel HDE für die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge einsetzen werde. „Einen sozialen Frieden in Deutschland kann ich mir ohne Tarifbindung nicht vorstellen“, so Heil. Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion haben sich insgesamt mit den Real-Beschäftigten solidarisch erklärt.

Tätige Solidarität übte auch das Tübinger DGB-Kreisvorstandsmitglied Tobias Kaphegyi Mitte Juli vergangenen Jahres aus: Er hatte mit drei Kollegen in einem Real-Markt in der baden-württembergischen Stadt Flugblätter verteilt und anschließend auf einer Verkehrsinsel ein Abschlussfoto vor dem Aktionsplakat gemacht. Der Real-Marktleiter hatte zwischenzeitlich die Polizei gerufen, die Kaphegyis Personalien einforderte.

Strafbefehl nach Gruppenfoto

Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht erhielt der Gewerkschafter einen Strafbefehl über 1.400 Euro, wogegen er sich vor Gericht wehrte. Anfang Januar entschied das Amtsgericht Tübingen, das Verfahren einzustellen – allerdings gegen Zahlung von 300 Euro an den städtischen Arbeitslosentreff. Dabei blieb letztlich die Frage offen, ob die Fotoaktion vom Juli im öffentlichen Raum einer behördlichen Genehmigung bedurft hätte. Und so kritisierten Vertreter*innen von ver.di und IG Metall, dass es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren gekommen war. Wer sich für faire Löhne einsetze, gehöre nicht vor Gericht, sagte der Tübinger Sozialethiker Matthias Möhring-Hesse.

ver.di plant jedenfalls gemeinsam mit Real-Betriebsräten weitere Aktionen gegen den Ausverkauf und die Tarifflucht bei der Metro-Tochter. Für weiteren Unmut sorgt die Ankündigung, zwei Filialen in Nordrhein-Westfalen, in Hürth und in Mülheim/Ruhr, mit rund 200 Mitarbeiter*innen zu schließen. Kurz vor Weihnachten versuchte Metro, diese Entscheidung möglichst geräuscharm über die Bühne zu bringen. Zumindest das ist dem Unternehmen nicht gelungen.