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Ameos-Beschäftigte in Aschersleben am ersten Tag ihres unbefristeten Streiks, den sie mit überwältigender Mehrheit befürwortet habenChristian Jungeblodt

Je vier fristlose Kündigungen waren an den Standorten Bernburg und Aschersleben-Staßfurt des privaten Klinikbetreibers Ameos ausgesprochen worden, je drei in Schönebeck und Haldensleben. Gedroht wurde zudem mit dem Abbau von 800 Arbeitsplätzen. Kliniken, in denen sich in den vergangenen Monaten mehr als 1.800 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt hatten. Sie wollen den Schutz eines Tarifvertrages und eine bessere Bezahlung nach Maßgabe des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst. Die Kündigungsbegehren waren nichts anderes als ein Einschüchterungsversuch.

Warnstreiks, darauf haben Beschäftigte ein gutes Recht. Offenbar hat das inzwischen auch die Ameos-Konzernführung erkannt, denn jetzt muss Regionalge-schäftsführer Lars Timm, der für die oben genannten Kliniken in Sachsen-Anhalt zuständig war, selbst seinen Platz räumen. Wie die Ameos-Gruppe bekanntgab, ist er seit dem 27. Januar 2020 von seiner Funktion entbunden und freigestellt.

Das ist ganz im Sinne der empörten Beschäftigten: In einer Klinik in Bochum hatten sie bereits den Spieß umgedreht und ihrerseits Kündigungen an Lars Timm geschickt. Dabei nutzten sie Formulierungen, die aus Schreiben stammten, mit denen er die fristlosen Kündigungen in Sachsen-Anhalt begründet hatte, wie etwa: Störung des Betriebsfriedens, unakzeptables Verhalten gegenüber Beschäftigten, Ignoranz gegenüber dem Grundgesetz und der Tarifautonomie, mangelnde Einsicht und mangelnde Kooperationsbereitschaft.

Die Beschäftigten führen ihren Arbeitskampf inzwischen unbefristet weiter. Sie streiken an den Kliniken Aschersleben-Staßfurt, Bernburg, Schönebeck und Haldensleben. Eine überwältigende Mehrheit der ver.di-Mitglieder der betroffenen Kliniken hatte sich in einer Urabstimmung dafür ausgesprochen: 92 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder an den vier Kliniken hatten sich an der Abstimmung beteiligt. Von diesen stimmten 99,7 Prozent für einen Erzwingungsstreik. Von ihren Forderungen rücken sie nicht ab und lassen sich auch nicht einschüchtern.

"Die Beschäftigten haben seit 2012 auf Gehaltserhöhungen verzichtet. Es ist überfällig, dass sie für ihre tägliche Arbeit an und mit Menschen einen guten und fairen Tarifvertrag bekommen", sagte ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker. "Die Drohungen und Einschüchterungsversuche sind nicht akzeptabel. Ein Klinikbetreiber kann doch nicht mit der Schließung von Abteilungen und ganzer Standorte drohen, nur weil ihm die Tarifforderung der Beschäftigten nicht passt. Es geht um die elementare Gesundheitsversorgung der Menschen in der Region. Da dürfen solche Methoden und kommerzielle Interessen keinen Einzug halten", sagt Becker.

Riesige Welle der Solidarität

ver.di hat dem privaten Klinikbetreiber Ameos zum wiederholten Male eine Notdienstvereinbarung angeboten, um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu garantieren. Wie schon bei den Warnstreiks im November hat Ameos nicht darauf reagiert. "Anders als offenbar das Unternehmen nehmen wir unsere Verantwortung für die Menschen wahr. Deshalb halten wir unser Angebot für eine Notdienstvereinbarung aufrecht und setzen sie einseitig um", sagt Gewerkschafter Becker.

Die Bilanz nach den ersten Streikwochen: Tausende Beschäftigte legten ihre Arbeit nieder. Die Bevölkerung reagierte verständnisvoll. Auch die Politik ist aufmerksam geworden. "Die Streikenden erfahren eine riesige Welle der Solidarität. Anwohner und Besucher sprechen mit den Beschäftigten über deren Beweggründe, uns erreichen Grußbotschaften von Parteien und Organisationen aus Sachsen-Anhalt und aus den angrenzenden Bundesländern", so Bernd Becker. Der Zuspruch motiviere und bestärke die Beteiligten, weiter durchzuhalten.

Nach Redaktionsschluss überschlugen sich die Ereignisse: Am 20. Februar 2020 trafen sich Vertreter der Geschäftsführung von Ameos mit Vertretern von ver.di und dem Marburger Bund zur ersten Verhandlungsrunde in Aschersleben. In dem Gespräch hat die gemeinsame Verhandlungskommission von ver.di und Marburger Bund die Zielsetzung klar umrissen.

Die noch verbleibenden drei Wochen der vereinbarten Streikunterbrechung an den Kliniken sollen konstruktiv genutzt werden, um die Grundpfeiler eines Tarifvertrages verbindlich abzustimmen. Im Vordergrund stehen dabei spürbare Gehaltserhöhungen für das ärztliche und nichtärztliche Personal des privaten Klinikbetreibers. „Mit dem Verlauf der Verhandlung können wir leben. Unsere Tarifkommission wird in den nächsten Tagen Vorlagen entwickeln, die dann die Grundlage der künftigen Verhandlungen bilden werden", sagte ver.di-Landesbezirksleiter Oliver Greie. Die Vertragsparteien haben vereinbart, sich in den kommenden zwei Wochen zu einer weiteren Verhandlung zu treffen.

Erleichterung herrscht vor allem bei den Beschäftigten über die Rücknahme der vor Weihnachten ausgesprochenen 14 Kündigungen. Der Arbeitgeber hat sie zwischenzeitlich juristisch überprüft und wieder zurückgenommen.