04_verti_imago01.jpg
Verti Versicherung auf einer Messe – die Beschäftigten wollen sich auch schützen und gehen zu ver.diFoto: Cord/imago

Sie arbeiten hart im umkämpften Markt für Kraftfahrzeug-Direktversicherungen und viele sind schon lange dabei. Die Sales- und Servicemitarbeiter*innen, Schadensachbearbeiter*innen, Verwaltungsangestellten und IT-Kräfte sind das Herz der Verti Versicherungs AG. Ohne sie ginge nichts. Ihr Wissen ist das Kapital der Gesellschaft. Trotzdem unternimmt der Arbeitgeber nur wenig, um sie zu halten. Weder sind die Löhne fair, noch sind sie mit anderen Versicherungen konkurrenzfähig. Die Beschäftigten ergreifen entweder die Flucht oder sie entscheiden sich zu kämpfen. So wie jetzt. Deshalb treten sie scharenweise in die Gewerkschaft ver.di ein.

Gegründet wurde die Versicherung 1996 als Allstate Direct, 2002 wurde daraus die Direct Line, die schließlich 2015 vom spanischen Versicherer MAPFRE übernommen und in Verti umbenannt wurde. Die Zahl der Mitarbeiter*innen wuchs von anfangs 130 auf inzwischen über 500. Gewählt ist ein Betriebsrat mit elf Mitgliedern. Und der muss sich immer wieder den Unmut der Beschäftigten anhören, weil neue Kolleginnen und Kollegen besser als langjährige bezahlt werden.

"Es gibt bei Verti keine regelmäßigen Gehaltssteigerungen. Loyalität wird nicht belohnt. Wer lange dabei ist, verdient schlechter als jemand, der neu dazukommt ", sagt der Betriebsratsvorsitzende Christopher Martini. "Wenn man die Inflationsrate mit einrechnet, dann machen loyale Kolleginnen und Kollegen, die schon lange bei der Versicherung arbeiten, sogar ein Minus." Das wollen sich die Beschäftigten nicht länger gefallen lassen. Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, betont: "Ich will gleiche Löhne für gleiche Arbeit und eine Belohnung der Betriebszugehörigkeit." Es sei doch ungerecht, dass neue Kolleg*innen besser bezahlt werden. Und natürlich müsse auch ein Inflationsausgleich gezahlt werden. Und Sonderzahlungen für alle. Das sei doch nicht zu viel verlangt.

Den Treiber setzen

"Das Problem ist, einzelne Beschäftigte könnten zwar den Arbeitgeber um Gehaltserhöhungen bitten und für faire Löhne werben", sagt Christopher Martini. Aber im Grunde seien sie für sich alleine "waffenlos". Das sei ihm klar geworden, als er vor über einem Jahr mit einem ehemaligen Betriebsrat und ver.di-Mitglied gesprochen habe. "Da habe ich beschlossen, ich muss jetzt an der richtigen Stelle den Treiber setzen." Darum sei er in ver.di eingetreten, habe angefangen, Mitglieder zu werben und eine ver.di-Betriebsgruppe gegründet.

"Beim ersten Treffen waren wir nur drei Leute. Inzwischen haben wir einen Vorstand gewählt und damit ein Gesicht vor Ort. Wir sind nicht mehr nur ver.di in Berlin." ver.di ist in Teltow angekommen. Martini ist überzeugt: "Für kollektive faire Regelungen brauchen wir einen starken Partner, der für uns verhandelt. Und das ist ver.di."

Gedrückt werden die Löhne durch die spanische Muttergesellschaft, die kein Interesse an einem Tarifvertrag zeigt. Das rächt sich, denn viele Beschäftigte gehen weg und lassen sich woanders unter Vertrag nehmen. Damit aber geht wertvolles Wissen verloren. Christopher Martini ist besorgt, dass die Fluktuation weiter zunimmt. "Für den Arbeitgeber macht es doch überhaupt keinen Sinn, wenn neue Leute teuer eingekauft und angelernt werden müssen, und sie dann nach ein paar Jahren wieder gehen, weil ihr Gehalt nicht mehr steigt." Davon habe nur die Konkurrenz etwas, die gut ausgebildete Mitarbeiter*innen übernehme. "So verschwindet einzigartiges Fachwissen aus unserem Haus. Und das ist auch schon mehrfach passiert."

"Der Arbeitgeber ist von uns informiert worden, dass unser Ziel der Tarifvertrag ist," sagt Christina Förster, bei ver.di für Versicherungsgesellschaften zuständig. "Sobald wir bei Verti genügend Mitglieder haben, fordern wir den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen auf. Wir wollen die Anerkennung des Tarifvertrages Privates Versicherungsgewerbe oder wenigstens einen Haustarifvertrag, der verbindliche und faire Eingruppierungen festlegt. Und wir wollen verhindern, dass langjährig Beschäftigte auf ihrer Eingruppierung sitzenbleiben ohne Aussicht auf Aufstieg, während gleichzeitig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser gestellt werden, weil angeblich Fachkräftemangel herrscht und man sonst keine neuen Leute bekommt." Als guter Arbeitgeber müsse man auch etwas für seine Beschäftigten tun, um sie auf Dauer zu halten. Langfristig müssten dann auch weniger neue Leute eingestellt werden. Der Fachkräftemangel sei hausgemacht.

Taktik spricht sich rum

Der Arbeitgeber hat inzwischen reagiert und ist vorsichtshalber schon mal Gastmitglied im Arbeitgeberverband geworden. Den Tarifvertrag für das Private Versicherungsgewerbe hat er aber noch nicht unterschrieben. "Ein Tarifvertrag schafft Gerechtigkeit für alle", sagt Förster. Für Verhandlungen aber muss ver.di das Mandat haben, genügend Beschäftigte müssen ver.di-Mitglied sein und das auch wollen. Die Taktik spricht sich herum und so werden es täglich mehr ver.di-Mitglieder bei Verti.