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Heinrich-Braun-Klinikum in ZwickauFoto: Sebastian Willnow/dpa

Geradezu bizarr muten die Pläne des Städtischen Heinrich-Braun-Klinikums (HBK) im sächsischen Zwickau an: Gerade jetzt sollen weitere Abteilungen ausgegliedert werden – und das in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen das gesamte Gesundheitswesen vor nie dagewesenen Herausforderungen steht. In anderen Kliniken geht man den umgekehrten Weg, um den reibungslosen Ablauf des komplexen Krankenhausbetriebs zu organisieren.

Die Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH ist ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung im sächsischen Zwickau mit 930 Betten. Etwas über 2.200 Beschäftigte arbeiten in den medizinischen Bereichen des städtischen Klinikums. Noch einmal rund 1.000 sind in den ausgegliederten Tochter-GmbHs beschäftigt. Auch die Klinik bereitete sich auf zu erwartende Corona-Fälle vor.

Dann ein offener Brief der Bundestags-abgeordneten Sabine Zimmermann (Die Linke): Sie machte bekannt, dass ausgerechnet jetzt die Verwaltungs- und technischen Bereiche sowie die medizinische Berufsfachschule ausgegliedert und in ein Tochterunternehmen überführt werden sollen. In dem Brief an den HBK-Geschäftsführer Rüdiger Glaß schrieb sie zu den Absichten der Chefetage: "Das Einsparungspotenzial bei den Personalkosten liegt auf der Hand." Abstriche gegenüber den Bedingungen im HBK, die ohnehin nicht das Niveau des Öffentlichen Dienstes erreichen, seien zu erwarten.

Konzernbetriebsratsvorsitzender Martin Ganzon bestätigt die Aussagen: "Die ausgegliederten Abteilungen wären nicht an den Manteltarifvertrag für das HBK gebunden, der seit letztem Jahr verhandelt wird. Außerdem wird die Mitbestimmung geschwächt. Wir sehen schon jetzt, dass in den kleineren Klinik-Töchtern die Arbeit eines Betriebsrates erschwert wird oder es gar nicht zur Bildung kommt. Das wird die Arbeitsbedingungen dort verschlechtern."

Sparen an der Hygiene

Zimmermann hatte in ihrem Brief auch Zweifel hinsichtlich der "Effizienz und Verlässlichkeit der Krankenhausorganisation" geäußert. Zu Recht, wie Studien belegen. Gerade zeigt die Corona-Pandemie einmal mehr, wie wichtig fachgerechte Hygiene ist. Dennoch haben die Arbeitgeber in den vergangenen Jahren gerade hier gespart. Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) aus dem Jahr 2013 verweist auf den Zusammenhang zwischen Kürzungen bei der Reinigung und der Gefahr von Infektionen. Damals gaben 60 Prozent der Hygieneärzte und -⁠fachkräfte an, dass sich die Reinigung verschlechtert habe. Daran hat sich seitdem nichts geändert. "Selbst in Corona-Stationen, wo Krankenhausangestellte für die Reinigung eines Isolationszimmers cirka eine Stunde haben, wird bei externen Reinigungsunternehmen weniger Zeit kalkuliert", weiß ein Insider. "Auf der Strecke bleibt die 100-prozentige Zuverlässigkeit. Türklinken und andere Oberflächen werden seltener desinfiziert, was die Ausbreitung von Viren und Keimen wahrscheinlicher macht."

Sylvia Bühler, Leiterin des ver.di-Fachbereichs Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, fordert die Rücknahme von Ausgliederungen, um Reibungsverluste zu verringern und hohe Standards zu gewährleisten. Nicht ausschließlich medizinisches Personal und die Pflege, auch Reinigungskräfte und alle anderen Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen seien "systemrelevant" und für eine gute und sichere Versorgung unabdingbar. Selbst Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt forderte am 19. April ein neues Finanzierungsmodell für Krankenhäuser: "Kliniken sind Einrichtungen der Daseinsfürsorge und (...) müssen dem Patienten dienen, nicht dem Profit."

Andernorts haben sich Beschäftigte von Tochterfirmen bereits zurück in ihre Kliniken gekämpft. So wurden z.B. die therapeutischen Dienstleistungen von Charité und Vivantes zum Jahresbeginn wieder in die öffentlichen Krankenhäuser Berlins eingegliedert, im Klinikum Chemnitz Schreibdienst und Informatik zurück geholt. Dort hatten Beschäftigte von "Chaos und Herumwursteln" berichtet, klare Verantwortlichkeiten seien verloren gegangen, die erhoffte Effizienzsteigerung nicht eingetreten – eher das Gegenteil.

Und am HBK Zwickau? Weil die Stadtratssitzungen im März und April wegen Corona abgesagt wurden, sind die Gesellschafterverträge für eine "Bildungs- und Verwaltungs-GmbH", in die alle Bereiche außer Ärzte und Pflege geschoben werden könnten, noch nicht unter Dach und Fach. Betriebsrat Martin Ganzon bleibt optimistisch. Er hat nach 13 Jahren Dienst auf einer Intensivstation Nerven wie Drahtseile: "Letztes Jahr konnten wir gemeinsam mit ver.di die Ausgliederung von Logopäden und Psychologen verhindern – mit politischem Druck und direkter Ansprache des Stadtrats. Das letzte Wort ist also nicht gesprochen."

Es liegt bei der Politik, tragfähige Konzepte und solide Finanzierungsmodelle für das "systemrelevante" Gesundheitswesen zu finden, um "Outsourcing" überflüssig zu machen.

Gundula Lasch

Weitere Informationen gibt es hier: gesundheit-soziales.verdi.de/coronavirus