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Wolfgang HoepfnerFoto: Die Linke/Pirat

Wolfgang Hoepfner, 59, ist Schwerbehindertenvertreter bei der Stuttgarter Straßenbahn AG. Er berichtet von seinen Aufgaben:

"Begonnen habe ich im Unternehmen vor 33 Jahren als Straßenbahnfahrer. 1992 bin ich Betriebsrat geworden, seit 2004 freigestellter Schwerbehindertenvertreter. Ich fahre aber immer noch gelegentlich Stadtbahn, um meine Fahrberechtigung zu erhalten. Die Arbeit für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte ist sehr anspruchsvoll, wird aber zu wenig gewürdigt. Ich bearbeite mit Unterstützung von zwei Stellvertreter*innen derzeit rund 180 Anträge von Kolleg*innen, die als Schwerbehinderte oder Gleichgestellte anerkannt werden wollen. Von insgesamt 3.200 Beschäftigten bei der Stuttgarter Straßenbahn AG sind im Moment 280 schwerbehindert oder gleichgestellt; das ist eine Quote von mehr als acht Prozent.

Unsere Arbeit besteht zu einem großen Teil aus der Einzelfallbetreuung: Jede*r Kolleg*in, der oder die zu uns kommt, hat individuelle Einschränkungen am bestehenden Arbeitsplatz. Pauschallösungen gibt es da nicht. Wir haben in der Schwerbehindertenvertretung beispielsweise mit Beschäftigten zu tun, die wegen bestimmter Zwangshaltungen nicht mehr uneingeschränkt im Fahrdienst tätig sein können. Stress und Zeitdruck führen ebenfalls zu Anträgen. Auch hierbei helfen wir, denn es geht nicht allein um Schwerbehinderung oder Gleichstellung, sondern in anderen Fällen um Anträge auf Rehabilitationsmaßnahmen, auf Rente oder Erwerbsminderung. Sehr wichtig ist in jedem Fall die Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses, und dazu brauchen wir Anpassungen am Arbeitsplatz oder eine andere Stelle im Unternehmen. So kann etwa für eine*n Diabetiker*in eine längere Pause eingeräumt werden. Fahrer*innen, die diese Arbeit nicht mehr ausüben können, können für eine Beschäftigung im gewerblichen oder Verwaltungsbereich umgeschult werden. Alternativen gibt es viele im Unternehmen, da die städtische Stuttgarter Straßenbahn AG alle Bereiche selbst abdeckt, vom Fahrdienst über die Werkstätten und Verwaltung bis zur IT.

Nötig wäre mehr Verständnis und Interesse an unserer Arbeit. Bei manchen Führungskräften ist noch nicht angekommen, dass Schwerbehinderung individuell sehr unterschiedlich ist. Für die gilt die überholte Formel: Einmal schwerbehindert – immer schwerbehindert. Da müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten und Widerstände überwinden, zum Teil auch bei unseren Kolleg*innen aus dem Betriebsrat. Schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte sind in aller Regel bei ,leidensgerechter' Beschäftigung voll leistungsfähig und auch leistungswillig! Da ich im Rahmen meiner ver.di-Arbeit Schwerbehindertenvertreter*innen schule, weiß ich, dass dieses Problem überall besteht. Viele von uns stehen zudem unter hohem psychischen Druck und werden selbst krank. Da wäre mehr Unterstützung, etwa durch regelmäßige Supervision, sehr hilfreich."

Protokoll: Gudrun Giese