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Pflegekräfte zeigen, wie schwer sie für ihre Arbeit eingepackt sind. Von den Arbeitgebern lassen sie sich nicht für eine Nullrunde einwickelnFoto: Pedersen/picture alliance/dpa

Vor dem Kongresshotel haben sich zum Auftakt der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen 250 Beschäftigte zur Unterstützung eingefunden. Das Abstandsband ist geknotet: "Wir halten den Laden am Laufen. Jetzt seid ihr dran", steht darauf. Die ersten, die sich dahinter aufreihen, sind die Sparkassen-Beschäftigten, die um ihre Sonderzahlung fürchten. Jule Grunau ist eine von ihnen: "Der oberste Verhandlungsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Ulrich Mädge, ist bei uns in Lüneburg Oberbürgermeister. Er will nicht nur eine Nullrunde, er will uns auch Geld wegnehmen", sagt sie. Andreas C. aus Sachsen bestätigt Jule Grunau. Und Janina D. aus Sachsen betont: "Wir sind systemrelevant und wir wollen mehr Lohn."

Für Intensivpflegekraft Heike H. geht es ebenfalls um den gerechten Lohn und die Anerkennung ihrer Leistung. Im blauen Schutzkittel, mit Maske, Visier, Haarhaube und Handschuhen, steht sie vor dem Verhandlungshotel, um zu zeigen, wie belastet sie ihren Arbeitsalltag bewältigen muss. "Wir wollen keinen symbolischen Händedruck oder Lavendelsträuße wie in Rheinland-Pfalz", sagt sie. "Wir retten Leben, tagtäglich und nicht symbolisch. Und das unter großer Anstrengung. Deshalb wollen wir mehr Geld, mehr Entlastungstage und Zulagenentschädigung. Für die Arbeit, die wir sowieso schon ohne Corona leisten, und die sich durch Corona jetzt ins Unermessliche gesteigert hat."

"Wir retten Leben, tagtäglich und nicht symbolisch."
Heike H., Intensivpflegekraft

Lohnpause ist nicht drin

Verhandelt wird für den öffentlichen Dienst mit der Gewerkschaft der Polizei, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der IG BAU und dem dbb beamtenbund und tarifunion. Von letzteren sind ebenfalls Beschäftigte angereist. Wegen Corona haben sie zusätzlich Pappfiguren aufgestellt, die Beschäftigte im Straßenbau, in Kliniken und bei der Polizei darstellen. Eine Nullrunde will niemand akzeptieren. Sie, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, halten das Land zusammen, das soll sich auch im Tarifergebnis widerspiegeln und dafür wollen sie kämpfen.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke geht das Coronaband ab, spricht mit den Angereisten, nimmt sich Zeit. Auf dem Platz vor dem Verhandlungshotel dürfen nur hundert Menschen stehen, alle tragen Masken. Der Vorsitzende betont, wegen Corona könne es keine Pause in der Tarifpolitik geben und auch keine Lohnpause in Deutschland. "Das wäre schlecht für die wirtschaftliche Entwicklung", sagt er, bevor es in die Verhandlungen geht. Im öffentlichen Dienst sei viel geleistet worden, auch in den Sparkassen, damit die kleinen und mittleren Unternehmen liquide bleiben konnten. Die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern, in den Jobcentern, den Agenturen für Arbeit und überall im öffentlichen Dienst hätten viel geleistet. "Applaus alleine reicht nicht. Wir wollen Wertschätzung und Anerkennung und dazu gehört eine ordentliche Lohnentwicklung", so Werneke weiter. "Unerträglich" nennt er die Situation, dass 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch Unterschiede bei den Arbeitszeiten bestehen. Diesen Unmut repräsentieren auch die Schilder der Sparkassenbeschäftigten aus Thüringen: "30 Jahre Ungleichheit. Zum Kämpfen sind wir jetzt bereit!", steht darauf geschrieben.

Die Arbeitgeber jammern

Es ist eine schwierige Tarifrunde, auch wegen der Pandemie. Bereits an diesem ersten Verhandlungstag liegen die Positionen weit auseinander. Der Auftakt sei enttäuschend gewesen, sagt Werneke am Ende des Tages. "Zwar haben die Arbeitgeber freundliche Worte für die Leistung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefunden, ein faires Angebot für Lohnsteigerungen ist jedoch nicht in Sicht." Stattdessen jammerten die Arbeitgeber über eine angespannte Kassenlage bis 2023 und strebten eine lange Laufzeit für den Tarifvertrag an. Für ver.di aber sei die Leistung der Beschäftigten Ausgangspunkt der Tarifverhandlungen, betont der ver.di-Vorsitzende.

2,3 Millionen Tarifbeschäftigte werden direkt von dem Verhandlungsergebnis profitieren. Zusätzlich soll das Ergebnis auf über 200.000 Beamtinnen und Beamte und weitere Gruppen übertragen werden. ver.di fordert für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen eine Anhebung der Einkommen um 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 100 Euro pro Monat angehoben werden. Erwartet wird die Ost-West-Angleichung der Arbeitszeit. Darüber hinaus soll über eine Entlastung der Beschäftigten verhandelt werden. Die besonderen Themen des Gesundheitswesens und der Pflege sollen an einem eigenen Verhandlungstisch im Rahmen der Tarifrunde eingebracht werden, ebenso die Themen der Sparkassenbeschäftigten.

Die Beschäftigten haben gleich zum Auftakt deutlich gemacht: Sie scheuen den tarifpolitischen Konflikt nicht – auch nicht in der Pandemie. Sie stehen bereit, um für eine angemessene Lohner- höhung zu kämpfen. Mit Abstand und Entschlossenheit zugleich.

Fotopetition: Gesicht zeigen

Sag es mit deinem Gesicht: Wir wollen den öffentlichen Arbeitgebern von Bund und Kommunen zeigen, wie viele Menschen sich mit ihrer Arbeit für das Gemeinwohl aller einsetzen – und dafür zu Recht mehr erwarten. Dafür braucht es auch Deine Unterstützung. Sei dabei!