Wer pflegebedürftige Angehörige hat, weiß, dass es oft schwer ist, einen geeigneten Kompromiss zu finden, zwischen den Ansprüchen der*des Pflegebedürftigen und dem, was man selbst leisten kann. Um den Angehörigen den Verbleib in den vertrauten vier Wänden so lange wie es geht zu ermöglichen, greifen viele auf sogenannte 24-Stunden-Kräfte zurück.

Meist handelt es sich dabei um Frauen aus Osteuropa, die von Agenturen vermittelt werden. Ende Juni hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Klage einer bulgarischen Beschäftigten auseinandergesetzt.

Geklagt hatte ein ver.di-Mitglied aus Bulgarien. Sie wollte den ihr vorenthaltenen Mindestlohn bekommen. Die Frau war bei einer bulgarischen Agentur angestellt. Sie hatte pflegebedürftige Menschen in Deutschland in ihrem Zuhause versorgt. Dabei musste sie nahezu rund um die Uhr zur Verfügung stehen und auch nachts einsatzbereit sein. Bezahlt wurde sie jedoch nur für die im Arbeitsvertrag festgeschriebene Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche.

Alle Arbeitsstunden vergüten

Unterstützt wurde sie in dem Verfahren vom gewerkschaftlichen Rechtsschutz und von der DGB-Beratungsstelle "Faire Mobilität". Das BAG betonte in seiner Entscheidung, dass sämtliche Arbeitsstunden, auch Bereitschaftszeiten, wenigstens mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden müssen. Im vorliegenden Fall müsse das Landesarbeitsgericht, das der Klage größtenteils stattgegeben hatte, aber konkreter darauf eingehen, warum nicht ausschließlich die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit ausschlaggebend ist.

Dabei stellten die obersten Arbeitsrichter*innen klar, dass die deutschen Gesetze wie der Mindestlohn auch auf diese Arbeitsverhältnisse und auf jede Arbeitsstunde angewendet werden müssen. Für ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler ist das ein klares Signal: "Alle Beschäftigten, die in Deutschland arbeiten, sind von den hiesigen Arbeitsschutzgesetzen erfasst – unabhängig von ihrer Herkunft und davon, mit wem sie ihren Arbeitsvertrag geschlossen haben."

Nach Bühlers Ansicht basiert das Modell der sogenannten 24-Stunden-Pflege auf systematischem Gesetzesbruch. Damit müsse Schluss sein. "Wenn eine Beschäftigte die Versorgung eines pflegbedürftigen Menschen rund um die Uhr sicherstellen soll, kann es nicht mit legalen Dingen zugehen", sagt die Gewerkschafterin. pm/hla

Aktenzeichen 5 AZR 505/20