Ausgabe 01/2007-02
Es sollte ein Lobbyisten-Register geben
LobbyControl ist eine Nichtregierungsorganisation für Transparenz und Demokratie, die seit 2005 existiert
Ulrich Müller ist der Geschäftsführer von LobbyControl
FOTOS: FRAKTION DIE LINKE; DEDEKE; PRIVAT; JUNGEBLODT [m]
ver.di publik | Lobbyismus gab es schon immer. Was ist neu?
Ulrich Müller | Generell kann man sagen, dass sich der Lobbyismus ausweitet. Viele Unternehmen betreiben inzwischen ihre eigenen Büros in Berlin und Brüssel und gehen nicht mehr nur über ihre Verbände. Auch scheinbarer Bürgerprotest, der aber tatsächlich zentral von einer Lobbyorganisation gesteuert wird, ist im Kommen. Und die Zahl der Denkfabriken wächst, über die versucht wird, Einfluss auf die Öffentlichkeit zu nehmen.
ver.di publik | Wie läuft das konkret?
Müller | Man sucht sich Leute, die die eigene Position grundsätzlich vertreten und fördert sie durch Forschungsaufträge oder Hilfe bei Medienauftritten. So finanziert die Deutsche Bank Gruppe zum Beispiel das Deutsche Institut für Altersvorsorge, wo Herr Miegel einer der wissenschaftlichen Berater ist. Der macht Studien und wird durch die Medien gereicht - in der Regel, ohne die Deutsche Bank überhaupt zu erwähnen. Dabei entsteht das Bild, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht zukunftsfähig ist und dringend eine kapitalgedeckte Rentenversicherung aufgebaut werden muss. Ziel ist es, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass das die einzige vernünftige Position ist.
ver.di publik | Sind die Politiker bestimmter Parteien besonders anfällig für Lobbyismus?
Müller | Letztendlich geht das quer durch die Parteien. Allerdings ist es auch sektorabhängig: Die privaten Krankenversicherungen haben einen besonders guten Draht in die Union hinein, bei der SPD gibt es viele Kontakte zur Energie-Lobby. Eine große Gefahr ist, dass es nicht mal mehr als Problem gesehen wird, wenn Lobbyisten in Ministerien die Gesetze mitschreiben.
ver.di publik | Was haben die Politiker vom Lobbyismus?
Müller | Manche ziehen aus der Unterstützung von Firmen Nutzen für ihre Karriere. So hat der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs Spenden für seinen Wahlkampf von der Rüstungsindustrie bekommen. Inzwischen sitzt er an entscheidender Stelle aus Sicht der Rüstungslobby: Er ist Berichterstatter für den Verteidigungsetat im Haushaltsausschuss des Bundestages. Aus meiner Sicht ist das nicht akzeptabel. Aber es gibt keine rechtliche Regelung dagegen und so konnte Kahrs das aussitzen.
ver.di publik | Was fordert LobbyControl?
Müller | Wir fordern eine Karenzzeit von zwei Jahren, wenn ehemalige Politiker als Lobbyisten anfangen wollen. Außerdem halten wir es für völlig inakzeptabel, dass Mitarbeiter von Firmen in Ministerien sitzen. Und es sollte ein Lobbyisten-Register geben, in dem man nachschauen kann, für wen jemand arbeitet.
ver.di publik | Gibt es so etwas in anderen Ländern?
Müller | Ja. Wer in Washington als Lobbyist tätig ist, muss angeben, für wen er arbeitet und mit welchem Budget. Solche Regeln existieren weder für Deutschland noch für die EU. Deshalb gibt es auch nur Schätzungen, dass in Berlin etwa 5000 und in Brüssel etwa 15000 Lobbyisten unterwegs sind. Manche Experten gehen davon aus, dass allein in Brüssel bis zu eine Milliarde Euro im Jahr für Lobbying ausgegeben wird.