Die Gewerkschafterin Annie Geron kämpft seit 20 Jahren gegen Korruption und Gewalt

Wenn Annie Geron von ihrem Feldzug gegen Korruption in ihrem Heimatland, den Philippinen, erzählt, vibriert sie vor Energie. Schon ihre Mutter habe immer über ihre Unnachgiebigkeit geschimpft, erinnert sich die 48-Jährige. "Und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich kann einfach nicht wegsehen, wenn jemand sein Amt missbraucht."

Schon als junge Frau kämpfte sie gegen das ebenso korrupte wie mächtige Marcos-Regime. Vor 20 Jahren gründete Annie Geron die Organisation PS Link (Public Services Labor Independent Confederation), einen Verband von Gewerkschaften des öffentlichen Sektors auf den Philippinen. Sie hat sich auch international einen Namen gemacht. Als Generalsekretärin der etwa 80000 Mitglieder starken Organisation ist die Filipina seit 1992 unermüdlich im Einsatz - neben ihrem Hauptberuf bei der staatlichen Ausbildungsagentur TESDA (Technical Education and Skills Development Authority).

Schluss mit dem Mord an Journalisten und Oppositionellen - das fordern Protestierende vor dem Armeehauptquartier bei Manila von der Regierung, von Polizei und Militär FOTO: AP PHOTO / BULLIT

Strafversetzt

Fast 30 Jahre lang hat Annie Geron bei der Agentur gearbeitet, doch seit November 2006 erhält sie weder Gehalt, noch darf sie ihr Büro betreten. Der Grund: Die Gewerkschafterin hat sich mit TESDA-Chef Augusto Syjuco angelegt. Im September 2006 reichte sie eine Beschwerde ein, wonach Syjuco die 144000 Euro teure Veröffentlichung eines Buches unter seinem Namen aus TESDA-Kassen finanziert hat. Zudem soll der ehemalige Kongressabgeordnete Werbekarawanen und Auftritte in eigener Sache als offizielle Reisen getarnt haben. Um die politische Karriere seiner Frau im Kongress zu sichern, habe Syjuco ihrem Wahlkreis gut 395000 Euro aus dem knappen TESDA-Budget zukommen lassen, so ein weiterer Vorwurf.

"Syjuco hat sich völlig ungehemmt bedient. Nachdem die Beweise auf dem Tisch liegen, dreht er völlig durch", beschreibt Annie Geron die Situation. Über Nacht wurde die "Rädelsführerin" im Oktober gemeinsam mit einigen Verbündeten aus dem Hauptquartier der Agentur in Manila in Provinzbüros versetzt. Als die "Aufständischen" das nicht akzeptierten, wurden ihre Gehälter eingefroren und man verbot ihnen, das Gelände zu betreten. Gerons Mann, der seit 29 Jahren für TESDA arbeitet, musste seinen Direktorenposten räumen.

Auftraggeber im Dunkeln

Die Willkürakte vom Günstling der Präsidentin Gloria M. Arroyo - der gut bezahlte Posten als TESDA-Chef fiel Syjuco als Dank für seine Wahlkampfhilfe im Jahr 2004 in den Schoß - sollen seine Gegner mürbe machen. Doch wer sich auf den Philippinen mit der Obrigkeit anlegt, muss Schlimmeres befürchten. Seit Arroyos Amtsantritt im Jahr 2001 sind nahezu 800 aufmüpfige oder missliebige Aktivisten, Kommunisten, Bauernführer und Journalisten ermordet worden. Kaum eines dieser Attentate wurde aufgeklärt, aber der druckfrische Bericht einer Untersuchungskommission sieht das Militär in viele Anschläge verstrickt. Die Auftraggeber bleiben freilich weiter im Dunkeln.

Auch Annie Geron fürchtet um ihr Leben und um ihre Familie. Ein Attentat im Juli 2006 hat ihr Mann überlebt. Ihre beiden Kinder verleugnen aus Sicherheitsgründen die Mutter. "Ich gehe nur selten nach Hause und wechsele dauernd meine Route und meine Transportmittel. Mehr kann ich nicht tun. Das einzige Schutzschild, das ich habe, sind die Medien und die Unterstützung durch internationale Gewerkschaften wie PSI. Mich kann man nicht einfach verschwinden lassen, dafür bin ich zu bekannt", glaubt Annie Geron.

"Aber Aufgeben kommt nicht in Frage", erklärt die Filipina bestimmt. Syjuco sei zwar ein mächtiger, aber nicht ihr erster Gegner. In der Tat: Zwei Vorgänger von Syjuco, die ihr Amt ähnlich missbrauchten, hat Annie Geron bereits zu Fall gebracht.

Protest von ver.di

Der ver.di-Gewerkschaftsrat hat im November ein Potestschreiben gegen die Verfolgung von Annie Geron verfasst. Da die philippinische Botschaft in Berlin nicht bereit war, ver.di-Vertreter zu empfangen und die Resolution entgegenzunehmen, ist das Schreiben Anfang Februar per Post an die Botschaft gegangen.

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