Sehen


Die Herbstzeitlosen

Von wegen Senioren fallen einer Gesellschaft zur Last: Im Schweizer Emmental sind vier Freundinnen zwischen 60 und 80 noch geistig rege, körperlich fit und aktiv. Jede von ihnen hat andere Qualitäten: Martha kann wunderbar nähen, Hanni macht endlich den Führerschein, Frieda eine Computer-Schulung, und Lisi hat für jedes Problem eine gute Idee. Zusammen wollen die Frauen Marthas Lebenstraum von einer eigenen Lingerie-Boutique mit selbst entworfenen Dessous verwirklichen. Immerhin hat Martha über viele Ehejahre hinweg ihre eigenen Interessen völlig hinter denen der Familie zurückgesteckt. Seit dem Tod ihres Mannes fehlt ihr eine Aufgabe. Das neue Projekt gibt ihr Schwung. Dem stehen jedoch die lieblosen, undankbaren Kinder und Enkel im Wege, die sich moralisch aufspulen und ihre Alten am liebsten ins Heim abschieben wollen. Humorvoll und sympathisch wirbt Bettina Oberlis Film um eine neue Sicht auf ältere Menschen, deren Erfahrungsschatz, Vitalität und Leistungswille Viele unterschätzen. Am Ende staunen selbst die Teenies begeistert über Marthas tolle exklusive Büstenhalter.

KL

CH 2006. R: BETTINA OBERLI, D: STEPHANIE LASNER, ANNEMARIE DÜRINGER, HEIDI MARIA GLÖSSNER. U.A. 86 MIN. START: 29.3.07


Yes I Am!

Politische Popmusik in Deutschland? Das scheint lange her. Erfolgreiche Künstler nicht nur bei unverbindlichen Benefiz-Konzerten sondern in konkreter politischer Aktion zu erleben, das war in den 80ern Standard - doch heute? Ähnlich sah das Regisseur Sven Halfar, als er sich vom antirassistischen Ausgangspunkt des Musiker-Projekts Brothers Keepers vor knapp sechs Jahren stark berührt fühlte. Jetzt läuft seine Dokumentation Yes I Am in den Kinos. Der Film erzählt vordergründig vom Projekt Brothers Keepers, in dem sich afrodeutsche Rapper, Sänger und Musiker zusammen fanden. Sie wollten nach dem rassistisch motivierten Mord an Alberto Adriano im Juni 2000 eine starke Stimme formieren. Tatsächlich stießen ihr Lied Adriano (Letzte Warnung) und das Album Lightkultur auf große Zustimmung. Doch der Film will mehr: Einerseits über das bis heute andauernde politische Engagement, das die Künstler in Schulen und Treffpunkte führt, auch dort, wo sich rassistische Ansichten besonders verbreiten. Und dort sind sie nicht zum rappen - sondern zum informieren und diskutieren. Andererseits über das Lebensgefühl von Deutschen mit schwarzer Hautfarbe. Getragen von Porträts und Interviews mit den Müttern der Hauptpersonen erhält man Einblick in Befindlichkeiten. Und versteht, dass das politische Bewusstsein aus dem persönlichen heraus entsteht.

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