Ausgabe 08/2007
Wenig Geld für die Pflege
In Lohr machen angehende Pflegefachkräfte mobil. Sie sehen nur wenig Chancen für ihre berufliche Zukunft
Krankenpflegeschülerin auf Jobsuche
Lohr | Blutdruck und Blutzucker messen in der Fußgängerzone? Und gleich nebenan schnell das Körperfett analysieren lassen? Diesen ungewöhnlichen Service boten Krankenpflegeschüler des Klinikums Main-Spessart und des Bezirkskrankenhauses Lohr im Sommer in der Fußgängerzone von Lohr an. Die Aktion hatte einen ernsten Hintergrund: Nach ihrer Ausbildung haben die Pflegefachkräfte kaum Chancen auf Übernahme. Im Bezirkskrankenhaus Lohr sollten nach damaligem Stand nur sechs von 16 Krankenpflegeschüler/innen übernommen werden.
Der Protest der Jugendlichen richtete sich nicht gegen ihre Arbeitgeber. Im Gegenteil, die unterstützten die Aktion sogar. Die Protestierenden machten vielmehr darauf aufmerksam, dass den Krankenhäusern durch die Umstrukturierungen finanziell die Hände gebunden sind. Für Pflegepersonal steht immer weniger Geld zur Verfügung.
Das verdeutlichte die zuständige ver.di-Sekretärin des Bezirks Würzburg/Aschaffenburg, Birgit Stein, anhand bundesweiter Zahlen. Danach ist die Zahl der Pflegekräfte von 1995 bis 2005 um 13,5 Prozent gesunken. Das bedeutet den Verlust von rund 48000 Vollzeitstellen. "Dabei seien die Planstellen zu Lasten des Pflegepersonals hin zum ärztlichen Bereich umverteilt worden", sagte Stein. Auch die Erhöhung des Rentenalters auf 67 und das Auslaufen des Altersteilzeitgesetzes Ende 2009 lasse die Jugendlichen nicht gerade zuversichtlicher in die Zukunft schauen.
Nach Protesten weitere Übernahmen zugesagt
Von den 21 Krankenpflegeschüler/innen des Klinikums Main-Spessart hatten Mitte August sieben noch keine Stelle gefunden. Drei weitere erwarteten zu diesem Zeitpunkt noch Antworten auf ihre Bewerbungen. Mit ihren Aktionen konnten die Azubis immerhin einen Erfolg erreichen: Die Klinikleitung hat den sieben bis zehn Betroffenen zugesagt, sie für ein halbes Jahr mit einer Teilzeitstelle (75 Prozent) zu übernehmen. So will der Arbeitgeber ermöglichen, dass andere Beschäftigte ihre Überstunden abbauen können. "Damit kann man den Beschäftigten vermitteln, dass man mit Protest sehr wohl etwas erreichen kann", sagt der stellvertretende Personalratsvorsitzende Stefan Kimmel.
Einen Lichtblick gab es auch im Bezirkskrankenhaus Lohr. Neben den sechs Schüler/innen, deren Übernahme bereits feststand, werden vier oder fünf weitere mit 75-Prozent-Stellen für ein halbes Jahr beschäftigt. Der Personalrat hat außerdem beantragt, dass für den Abbau von Überstunden noch mehr ehemalige Azubis zumindest befristet eingestellt werden. "Die Arbeit mit jungen Leuten, die etwas erreichen wollen, macht großen Spaß", sagt auch Birgit Stein über ihre aktiven Jugendlichen.
Mit der Aktion machen die Krankenhausbeschäftigten in Lohr wieder von sich reden. Vertrauensleute und Personalräte haben in den vergangenen eineinhalb Jahren außerdem 71 neue ver.di-Mitglieder geworben. Zudem sind die Vertrauensleute beider Einrichtungen enger vernetzt. So wollen sie Aktionen in der kommenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst enger abstimmen.HLA