RÜDIGER LÜHR schreibt als freier Journalist über Medien- und Internetrecht

Ab Januar 2008 sollen in Deutschland sämtliche Verbindungsdaten erfasst und für sechs Monate gespeichert werden. Das betrifft alle Daten von Telefongesprächen, Faxen, E-Mails, Internetverbindungen, SMS sowie alle Handy-Bewegungsdaten. Das sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der derzeit im Bundestag beraten wird. Über die geplante Vorratsdatenspeicherung wird kaum berichtet. Dabei sind die Medien von diesem staatlichen Eingriff in die Grundrechte in besonderer Weise betroffen. Die Pressefreiheit ist nicht nur abstrakt gefährdet, weil der Schutz von Informanten und das Zeugnisverweigerungsrecht ausgehöhlt werden. Ganz konkret werden die Medien in der Informationsbeschaffung behindert.

Welcher Angestellte wird Journalisten noch Hinweise zu Schmiergeldern, Gammelfleisch oder Umweltverbrechen geben, wenn er weiß, dass die Daten seines Telefonats im Zuge einer Strafermittlung offenbart werden? Es gibt noch sensiblere Bereiche und viele ganz alltägliche. Auch die Ressortleiterin im öffentlichen Dienst dürfte es sich zweimal überlegen, ob sie einer Redaktion - an der Pressestelle vorbei - Auskünfte gibt. Dass Quellen versiegen, zeigt sich schon jetzt in Belgien. Dort gibt es die Vorratsdatenspeicherung bereits.

Wenn die Pressefreiheit gefährdet ist, dann unsere Demokratie insgesamt. Der Freiheitsentzug trifft zudem alle Bürgerinnen und Bürger direkt. Alle werden unter Generalverdacht gestellt. Jeder kann ins Visier staatlicher Organe kommen, weil er mit einem Verdächtigen vor Monaten telefonierte, die falschen Leute in den Mail-Verteiler aufnahm oder sich mit eingeschaltetem Handy an einem bestimmten Ort aufhielt. Große Datensammlungen wecken darüber hinaus Begehrlichkeiten, siehe Maut-Erfassung.

Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wird voraussichtlich 2008 vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärt werden. Mehr als 5000 Deutsche haben eine Vollmacht für eine Verfassungsbeschwerde unterschrieben. Besser wäre, wenn die Bundesregierung schon jetzt auf ihr Gesetzesvorhaben verzichtet. Das fordert auch ver.di.