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Die Werbeeinnahmen schrumpfen, gleichzeitig zögern Leser*innen, für Online-Inhalte zu bezahlen, was zu finanziellen Engpässen bei den Verlagen führt. Die Umsätze gehen zurück, Personal wird abgebaut, Abonnentenzahlen schrumpfen und der Druck auf die Journalistinnen und Journalisten wird immer größer. Das düstere Zukunftsszenario wird auch von Prognosen des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gestützt. Rund 4.400 Kommunen könnten bis 2025 ihre Lokalzeitung verlieren, was für 40 Prozent aller deutschen Gemeinden eine verheerende Informationsleere bedeuten würde – Populisten hätten mit Fakenews und Desinformation ein leichtes Spiel.

Zukunft Plattformmodell

Medienhäuser und Redaktionen stehen so nicht nur vor einer ökonomischen Krise, sondern auch vor einem Vertrauensverlust, der zu enormem Stress und psychischer Belastung bei Journalist*innen führt, wie eine Studie der Otto Brenner Stiftung zeigt.

Fast 60 Prozent der Befragten geben an, in den letzten zwölf Monaten wiederholt daran gedacht zu haben, ihren Beruf aufzugeben – 10 Prozent sogar mehrmals in der Woche. Besonders betroffen sind jüngere Journalist*innen. Zwei Drittel der Befragten fühlen sich "schon vor der Arbeit müde", empfinden die Arbeitsbelastung als "unerträglich" und 40 Prozent sind immer häufiger "emotional ausgelaugt". Ständige Überlastung hindert sie daran, frei zu denken, was jedoch für die Funktion des Journalismus als Wächter der Gesellschaft unerlässlich ist. Neben Frustration und Unsicherheitsgefühlen macht vielen auch die zunehmende Jobunsicherheit Sorge.

In dieser bedrängenden Realität suchen Lukas Erbrich und seine Kollegen von der Technischen Universität Dortmund, der Hamburg Media School und der Bauhaus-Universität nach einem Lichtblick, nach der Zukunft des Journalismus vor allem in der digitalen Welt. Als mögliche Lösung wird die Einführung anbieterübergreifender, abonnementbasierter Plattformen gehandelt. Sie könnten sich als vielversprechende Möglichkeit erweisen, die Branche zu stärken und Herausforderungen wie sinkenden Umsätzen, Personalabbau und schwindenden Abonnentenzahlen entgegenzuwirken.

Der Medienökonom Erbrich hat sich dafür im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW mit ökonomischen und medienpolitischen Möglichkeiten kooperativer Journalismus-Plattformen auseinandergesetzt. Die Ergebnisse seiner Studie "Coopetition is King" zeigen, dass solche anbieterübergreifenden, abo-basierten Plattformen nicht nur einen ökonomischen Gewinn für Medienhäuser, sondern auch für ihre Nutzer*innen bringen können. Plattformmodelle sind demnach im Vergleich zu einzelnen journalistischen Angeboten deutlich attraktiver für die Nutz*innen und haben das Potenzial, die Abonnentenzahlen auf dem Digitalmarkt um bis zu 40 Prozent zu steigern. Für die Studie haben Erbrich und seine Kollegen 8.000 Menschen quantitativ, mit verschiedenen Schätzmethoden befragt. Derartige Plattformen, vergleichbar mit einem "Spotify für Journalismus", erweisen sich als aufstrebendes, aber kontrovers diskutiertes Geschäftsmodell in der Branche.

Erbrich betont die Bedeutung von vielfältigen Perspektiven, insbesondere für junge Menschen. Festgestellt haben sie nämlich auch, dass junge Leser*innen nicht nur ein einzelnes Zeitungsabo mit möglicherweise einseitigen Blickwinkeln haben möchten, sondern an verschiedenen Perspektiven interessiert sind. Auch das Misstrauen gegenüber Medien könnte so abgebaut werden. Daher könnten große Bündel von journalistischen Inhalten, ähnlich wie bei Spotify für Musik, eine Lösung sein. Die Idee dahinter: Durch die Bündelung von Inhalten – sei es von verschiedenen Anbietern zentral oder dezentral, regional und überregional und politisch weit gefächert – kann die Attraktivität und so auch die Bereitschaft für digitalen Journalismus zu zahlen, erhöht werden. "Ob ich die Inhalte jetzt für eine Website produziere oder für mehrere Websites, macht gar keinen Unterschied, das bedeutet, ich könnte operativ gesehen sogar höhere Gewinne erzielen", sagt Erbrich.

Die Finanzierung

Auf die Frage nach der finanziellen Gestaltung von solchen Plattformen könnte zudem die Gemeinnützigkeit eine Rolle spielen: "Im Falle einer gemeinnützigen Ausrichtung könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Marktverstärker ausgebaut werden", sagt Erbrich. Sichergestellt sein müsste eine gerechte Verteilung der Inhalte, die nicht nur auf Verweildauer und Intensität basiert, sondern auch andere Aspekte berücksichtigt.

Eine so gestaltete Plattform könnte den Journalismus gerechter und zugänglicher für die Gesellschaft machen, zum Schutz der Medienvielfalt und damit auch zum Schutz der Demokratie beitragen.

Doch die Gemeinnützigkeit als mögliche finanzielle Lösung steht auf wackligen Beinen. Gemeinnützige Organisationen können steuerliche Vorteile genießen, wie zum Beispiel die Befreiung von der Körperschaftssteuer und die Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen. Doch der Journalismus an sich zählt nicht zu den im Gesetz genannten förderungswürdigen Bereichen. Die sogenannte Abgabenverordnung regelt in Deutschland die Voraussetzungen für die Anerkennung von Organisationen als gemeinnützig.

Dennoch gewinnt hierzulande der gemeinnützige Journalismus zunehmend an Bedeutung. Es gibt verschiedene Organisationen und Projekte, die sich ihm widmen, wie zum Beispiel das "Correctiv" und die "Krautreporter". Beide Organisationen finanzieren ihre journalistische Arbeit über Mitgliedschaften oder Spenden und verfolgen das Ziel, unabhängigen und investigativen Journalismus zu fördern.

Correctiv wurde 2014 gegründet und ist ein gemeinnütziges und unabhängiges Recherchezentrum. Sie decken Missstände auf und stellen ihre aufwändig produzierten Recherchen der Öffentlichkeit zur Verfügung. Ein bekanntes Beispiel für ihre Arbeit ist die Berichterstattung über die Cum-Ex-Steuerskandale, bei denen durch fragwürdige Aktiengeschäfte der Staat um Milliarden Euro betrogen wurde. Ein zentrales Argument für gemeinnützigen Journalismus in Deutschland ist daher, dass er als Gegengewicht zur kommerziellen Medienlandschaft fungiert.

Lars Hansen, Stellvertretender Vorsitzender des dju-Bundesvorstands in ver.di, erklärt den allgemeinen Nutzen des gemeinnützigen Journalismus an drei Beispielen: "Die Recherchen von Correctiv haben sowohl kommerzielle, als auch öffentlich-rechtliche Medien schon vor Falschmeldungen bewahrt und auf wichtige Themen gestoßen. Die Dortmunder Nordstadtblogger engagieren sich lokaljournalistisch in einem immerhin 40.000 Einwohner zählenden Stadtteil, den die kommerzielle Tagespresse längst abgeschrieben hat. Und das Netzwerk Recherche vergibt unter anderem spendenfinanzierte Recherchestipendien für sehr arbeitsintensive lokaljournalistische Themen." Dies, so der Gewerkschafter und Redakteur, seien nur drei Beispiele von vielen.

Hansen sitzt zudem im Beirat des Forum Gemeinnütziger Journalismus, einem Verein, der sich für Rechtssicherheit bei der Gemeinnützigkeit einsetzt. Die Hürden, so Hansen, seien mannigfaltig. Laut Abgabenordnung müssen gemeinnützige Zwecke der Allgemeinheit dienen und einen bestimmten Katalog von Zwecken erfüllen, zu denen beispielsweise die Förderung von Bildung, Wissenschaft, Kunst, Kultur, Völkerverständigung oder Umweltschutz gehören.

Und ein weiteres Problem bleibt: Die genauen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit im Bereich des Journalismus werden von den jeweiligen Steuerbehörden festgelegt und die können sich im Laufe der Zeit ändern. Obendrein, so erklärt Hansen, ist die Anerkennung der Gemeinnützigkeit im Föderalismus Sache der Länderfinanzbehörden.

"Nun könnte man es sich einfach machen und sagen, dass Journalismus im Allgemeinen der Gesellschaft nützt und deshalb generell als gemeinnützig gelten sollte. Allerdings gibt es auch journalistische Geschäftsmodelle, mit denen sehr reiche Menschen noch viel reicher werden. Die sollen gefälligst auch Steuern zahlen", sagt Hansen. Deshalb sehen auch die Finanzämter sehr genau hin, wenn jemand seine journalistische Initiative als gemeinnützig deklarieren möchte. "Das macht es sehr mühsam für die tatsächlich gemeinnützigen Projekte, anerkannt zu werden", so Hansen.

Fehlende Rechtssicherheit

Zwar steht im Koalitionsvertrag der Ampelregierung, dass es Rechtssicherheit geben soll für gemeinnützigen Journalismus, ein echter Vorstoß ist daraus bisher nicht erfolgt. Das Forum Gemeinnütziger Journalismus hat ein Siegel erarbeitet, mit dem es anhand fester und strenger Kriterien die Gemeinnützigkeit journalistischer Unternehmungen attestiert. "Es wäre an der Politik in Bund und Bundesländern, dafür zu sorgen, dass dieses Siegel von den Finanzämtern – die ja selbst keine Experten auf dem Feld des Journalismus sind – schnell und unbürokratisch anerkannt wird", fordert deshalb Hansen. Allerdings: Hierzu gebe es zwar positive Signale aus Koalitionskreisen, aber nur wenig Umsetzungselan.