Ausgabe 01/2008-02
Arbeitgeber schwer erziehbar
Von Hermann Schmid |Mit massiven Warnstreiks reagieren die Beschäftigten bei Bund und Kommunen auf das durchsichtige Spiel der Arbeitgeber
Sie bildet unsere Kinder, gelohnt wird es ihr nicht
Die Stimmung ist mehr als gereizt. Mit massiven Warnstreiks - zunächst vom 14. bis zum 22. Februar - antworten die Beschäftigten bei Bund und Kommunen auf das so genannte Angebot der Arbeitgeber, mit dem sie die Öffentlichkeit in die Irre führen. In allen Landesteilen, vom Norden bis in den Süden der Republik, sind die Beschäftigten streikbereit: Sie wollen mehr Geld und keine neuerlichen Reallohnverluste, wie sie das Angebot der Arbeitgeber bringen würde. Wo wann gestreikt wird, das wird ver.di jeweils erst kurzfristig ankündigen - ob in Krankenhäusern, Kindertagesstätten, bei der Müllabfuhr oder im Nahverkehr. Die Geduld ist schlichtweg am Ende, es reicht. "Wir haben lange still gehalten, unseren Patienten zuliebe und weil der Arbeitgeber drohte, sonst Abteilungen auszulagern. Wir haben nicht gestreikt, und was geschah? Sie haben die Reinigung ausgegliedert. Also wehren wir uns jetzt", sagt Michaela Moser, Krankenschwester und Betriebsrätin in der Isar-Amper-Klinik für Psychiatrie in München.
In der dritten Runde der Tarifverhandlungen am 11./12. Februar in Potsdam hatten Innenminister Wolfgang Schäuble für den Bund und Münchens Personaldezernent Thomas Böhle für die Kommunen nahezu verstockt immer wieder ihr vermeintliches Fünf-Prozent-Angebot heruntergebetet. Eine glatte Täuschung: Nach einem Nullmonat im Januar soll es ab Februar 2008 zunächst 2,5 Prozent geben, erst ab Oktober noch einmal 1,0 Prozent und ab März 2009 0,5 Prozent. Das macht nicht fünf, sondern vier Prozent - und das erst ab März nächsten Jahres.
Umgerechnet auf eine Laufzeit von 24 Monaten bleiben davon gerade mal 2,5 Prozent mehr im Jahr 2008 und 0,4 Prozent mehr im Jahre 2009. Bezieht man dann noch die geforderte Arbeitszeitverlängerung von 38,5 auf 40 Stunden ein, schrumpft das wohl klingende Angebot zu einem Minusgeschäft für die Beschäftigten. Doch damit nicht genug: Ein Prozent der angeblichen fünf Prozent soll für ein zusätzliches Leistungsentgelt abgezweigt werden - eine Zahlung, die nicht allen zugute käme und nach fragwürdigen Kriterien verteilt wird. Strikt verweigern die Arbeitgeber überdies nach wie vor eine Regelung zu den Ansprüchen auf Bewährungsaufstiege und Vergütungsgruppenzulagen, die erforderlich ist, weil es für Bund und Kommunen noch keine neue Entgeltordnung gibt. Für die Betroffenen kann das zu erheblichen Einkommensverlusten führen.
ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske kritisierte scharf, dass die Arbeitgeber "im Jahr 19 der deutschen Einheit" weiterhin eine unterschiedliche Bezahlung in Ost und West festschreiben wollen. Er wies auch ihre Absicht zurück, den Beschäftigten der Krankenhäuser die 2006 vereinbarten 35 Euro pro Monat von einem Einkommensanstieg abzuziehen. ver.di bleibt dabei: acht Prozent für die rund 160000 Beschäftigten beim Bund und die rund 1,15 Millionen der Kommunen, mindestens aber 200 Euro mehr, bei 12 Monaten Laufzeit. Die Übernahme der Auszubildenden soll verbindlich geregelt, ihre Entgelte im Osten sollen zum 1. Januar 2008 an jene im Westen angeglichen und um 120 Euro erhöht werden. Gleichzeitig soll das Tarifergebnis auch für die Beamt/innen gelten.
Die Beschäftigten sind sich einig: "Wir brauchen mehr Geld und nicht mehr Arbeitszeit". Eine Kollegin brachte es auf den Punkt: "Wir finanzieren doch unseren Stellenabbau nicht selber mit!"