Arbeitsverdichtung, Einkommensverlust, Stellenabbau - das sind die Erfahrungen der letzten Jahre. Im öffentlichen Dienst stehen die Zeichen auf Streik: Es muss mehr Geld geben

Sie wachen in der Nacht an unserem Krankenbett. Sie räumen unseren Dreck weg. Sie retten notfalls unser Leben. Doch wenn sie Ende des Monats auf ihren Gehaltszettel schauen, stellen sie fest, dass der Einsatz ihnen vielleicht gedankt, aber nicht angemessen belohnt wird: Eine Krankenschwester bekommt im ersten Berufsjahr nach der Ausbildung 1850 Euro brutto im Monat, ein Mülllader in Baden-Württemberg 1575 Euro, ein Kanalarbeiter mit Schweißerfachprüfung 1602 Euro und ein Feuerwehrmann 1764 Euro. Und das ist nur eine kleine Bandbreite öffentlicher Dienstleistungen, die die knapp 3,8 Millionen Beschäftigten bei Bund, Ländern und Gemeinden Tag für Tag erbringen.

Seit 2003 haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst reale Einkommensverluste hinnehmen müssen. Steigende Preise für Lebensmittel und Energie, wachsende Gesundheitskosten, höhere Beiträge für die Kranken- und Rentenversicherung, die gestiegene Mehrwertsteuer, die Kürzung der Pendlerpauschale und des Sparerfreibetrags betreffen zwar alle. Aber die Einkommenssteigerungen im öffentlichen Dienst waren in den vergangenen Jahren niedriger als in anderen Branchen (siehe Grafik). Angesichts leerer öffentlicher Kassen waren die Tarifrunden von Zurückhaltung geprägt. Damit haben die Beschäftigten einen wesentlichen Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte erbracht. Und bei den Verhandlungen im Jahr 2005 stand die Reform des Tarifsystems im Mittelpunkt.

Acht Prozent mehr Lohn

Doch jetzt ist wieder mehr Geld da. Laut Steuerschätzung vom November 2007 rechnet das Finanzministerium bis 2011 mit Steuermehreinnahmen in Höhe von 186 Milliarden Euro. Die Kommunen schlossen bereits 2007 dank stark gestiegener Steuereinnahmen mit einem Plus von 6,4 Milliarden Euro ab. In der laufenden Tarifrunde fordern die Beschäftigten von Bund und Kommunen deswegen spürbare Lohnverbesserungen: acht Prozent mehr, jedoch mindestens 200 Euro. Und für die Azubis mindestens 120 Euro mehr. Wer professionelle Arbeit will, muss sie auch entsprechend gut bezahlen.

Zusätzlich zu den realen Lohnverlusten in den vergangenen Jahren hat sich die Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst seit Beginn der 90er Jahre enorm verdichtet. 1991 waren noch rund 5,2 Millionen Beschäftigte in diesem Bereich tätig. Doch insbesondere die Gemeinden haben Personal abgebaut und für ausscheidende Beschäftigte keine neuen mehr eingestellt. 37 Prozent der Stellen sind auf diesem Weg eingespart worden. Das geht nur zu Lasten der verbleibenden Beschäftigten.

Eine Kinderpflegerin auf halber Stelle kommt auf 600 Euro netto

Gleichzeitig nehmen die Aufgaben zu. Beispiel Kinderbetreuung. "Die Anforderungen werden immer größer. Alles, was die Schule nicht leisten kann, wird in den vorschulischen Bereich verschoben", sagt Martin Peter. Er betreut im ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen die Beschäftigten in Kindertagestätten und Kindergärten. Dennoch bekomme eine heute eingestellte Erzieherin in einer Kindertagesstätte nach der Ausbildung 1960 Euro brutto pro Monat, für eine Vollzeitstelle. Arbeitet eine Erzieherin bereits seit mehr als 15 Jahren, erhält sie 2573,80 Euro pro Monat. Doch derzeit sind solche Bewährungsaufstiege nicht möglich. Das liegt an Problemen bei der Überleitung der alten Tarifverträge in den 2005 neu ausgehandelten Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD). Längst sollten eine neue Entgeltordnung und damit neue Eingruppierungsregeln geschaffen werden, die verhindern, dass die betroffenen Beschäftigten teilweise Einbußen von mehreren hundert Euro pro Monat hinnehmen müssen. Doch die Arbeitgeber blockieren die Gespräche.

Bei den Kita-Beschäftigen zeigt sich ein weiteres Problem: Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2006 lag ihr Anteil bei 30,2 Prozent. In Niedersachsen arbeiten zwei Drittel der 22000 Kita-Beschäftigten teilzeit, meist 20 bis 22 Stunden. Insbesondere auf dem Land, wo die Ganztagsbetreuung nicht so weit verbreitet ist, ist diese Form der Arbeitsverhältnisse zu finden. "Erhöht man jetzt die Wochenarbeitszeit, wie von den Arbeitgebern vorgeschlagen, zahlen die Teilzeitbeschäftigten noch drauf", sagt Martin Peter. Und er rechnet vor, wie niedrig die Teilzeiteinkommen sind. Rund ein Viertel der niedersächsischen Kita-Beschäftigten sind Zweitkräfte. Eine solche Kinderpflegerin steigt nach einer zweijährigen Fachschulausbildung Vollzeit mit 1575 Euro pro Monat in den Beruf ein. Muss sie ihre Arbeitszeit halbieren, bleiben ihr netto etwas mehr als 600 Euro pro Monat.

Auch dieses Beispiel macht deutlich: Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst brauchen dringend mehr Geld. www.genug-gespart.de


Damit in unserem Alltag alles gut klappt: Knapp 3,8 Millionen Beschäftige arbeiten im öffentlichen Dienst. Die Fotos zeigen die Motive einer bundesweiten Plakataktion von ver.di und DBB-Tarifunion. Denn gute Arbeit soll gut bezahlt werden

FOTOS: PATRIK VOIGT / PLATOON