Ausgabe 05/2008
Die Situation in den Kliniken verschärft sich zunehmend
Krankenhäuser können ihre Preise nicht selbst bestimmen, sie werden vom Gesetzgeber festgesetzt. So wurde die Steigerungsrate der Klinikbudgets für 2008 auf 0,64 Prozent festgelegt. Bereits seit fünf Jahren liegt sie unter einem Prozentpunkt. Für Investitionen sind die Länder zuständig. Da hält Niedersachsen unter allen Bundesländern den Negativrekord. Allein 2006 hat das Land statt 437 Millionen nur 121 Millionen Euro – fast 75 Prozent zu wenig – investiert. Die Misere wird auf dem Rücken der Patienten und Beschäftigten ausgetragen. Ein Interview mit ver.di-Fachbereichsleiter Joachim Lüddecke.
ver.di publik | Der Deckel muss weg, ein griffiger Slogan. Welche Auswirkungen hat denn die Budgetdeckelung?
Lüddecke | Die Einnahmeseite der Klinikbudgets ist auf einem Niveau begrenzt, das deutlich unter der allgemeinen Preissteigerungsrate für Sachkosten liegt und auch der Entwicklung von Löhnen und Gehältern in der Branche nicht entspricht. Dieses System ist schon seit etwa 15 Jahren etabliert. Die Situation in den Kliniken verschärft sich jetzt zunehmend.
ver.di publik | Welche konkreten Auswirkungen hat das auf die Kliniken?
Lüddecke | Nach Ausschöpfen der Rationalisierungsreserven, insbesondere im Sachkostenbereich, hat sich der Druck auf das Personal durch Arbeitsverdichtung und Personalabbau deutlich erhöht. Allein in den letzten zehn Jahren sind 50000 Arbeitsplätze im Pflegebereich abgebaut worden. Zudem hat sich die Patientenzahl im gleichen Zeitraum um circa 25 Prozent erhöht.
ver.di publik | Was fordert ver.di konkret?
Lüddecke | ver.di fordert von der Bundesregierung die Abkehr von der Budget- und Preisdeckelung und so eine kurzfristige Änderung des geltenden Finanzierungssystems sowie eine Personalbemessung zur Regelung von Qualitätsstandards. Von den Bundesländern fordern wir, die bestehende Finanzierungslücke bei den Investitionen zu schließen.
ver.di publik | Aus welchen Mitteln wird denn die aktuelle Tariferhöhung finanziert, vor allem die zweite Stufe ab 2009?
Lüddecke | Von den Tariferhöhungen – letztlich sind es rund acht Prozent spürbare und tabellenwirksame Entgelterhöhungen – sind etwa drei bis vier Prozent bereits in den Kliniketats eingestellt. Wie die Steigerung um fünf Prozent ab 2009 finanziert werden soll, ist Sache der Politik. Die Budgetdeckelung ist eine politische Vorgabe. Wir erwarten, dass der Gesetzgeber endlich eine bedarfsgerechte und dem Aufwand angemessene Krankenhausfinanzierung etabliert. Wenn die GDL zum Beispiel über zehn Prozent Einkommenserhöhung für Lokführer erstreikt, erhöht die Bahn AG auch die Preise. Wir verlangen, dass auch die Tarifsteigerungen in den Krankenhäusern über die Krankenhausbudgets finanziert werden können, und dass damit die Tarifautonomie wieder hergestellt wird. Noch mehr Stellenabbau und Druck auf das Personal ist nicht drin. Alle Kolleg/innen sind ausgepresst wie eine Zitrone.