Landesweite Protestaktionen gegen Klinik-Misere: "Der Deckel muss weg"

Düstere Zukunft: in Oldenburg

Hunderte von Beschäftigten aus mehr als 70 Kliniken in Niedersachsen und Bremen haben im April mit lautstarken Aktionen gegen das Finanzierungssystem für Krankenhäuser protestiert. ver.di, Betriebsräte und Geschäftsführungen fordern eine rasche Abkehr von der Budget- und Preisdeckelung. Motto der Proteste: "Der Deckel muss weg!"

Das geltende Finanzierungssystem führt zur Funktionsunfähigkeit der Krankenhäuser. Leidtragende sind letzten Endes die Patienten. Immer mehr Häuser müssen schließen, fürchtet ver.di. Und es wird weitere Fusionen geben. Das Personal ist wegen des enormen Stellenabbaus der vergangenen Jahre überlastet. "Den Schwestern bleibt oft nicht mal die Zeit, ein kurzes Gespräch mit den Patienten zu führen", sagt Sigrun Spaeth, Betriebsratsvorsitzende des Klinikums Oldenburg, das Initiator der Aktion war. Allein in Oldenburg sind bei 2300 Mitarbeitern rund 60000 Überstunden aufgelaufen.

Die Proteste waren vielfältig: Das Klinikum Delmenhorst ließ für jeden gestrichenen Arbeitsplatz einen schwarzen Luftballon fliegen. Im Krankenhaus Wittmund gingen die Mitarbeiter ins Bewegungsbad. Motto: "Das Wasser steht uns bis zum Hals". In Oldenburg wurde die Außenfassade des Klinikums mit schwarzen Tüchern verhüllt. Vor dem Haupteingang lärmten Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern und Verwaltungsmitarbeiter mit Bettpfannendeckeln. In der Uni-Klinik Göttingen gab es eine "kreative Mittagspause". "Bei uns hat sich enormer Frust aufgestaut", berichten auch Mitarbeiter des Klinikums Braunschweig.

Krankenhäuser werden in die Zange genommen. Energiepreise steigen, der medizinische Fortschritt verlangt mehr Ausgaben und die Patient/innen sollen besser versorgt werden. Doch mehr Geld sollen die Häuser nicht bekommen. Die Folge: Sie sparen am Personal. Mit Steigerungsraten unter einem Prozent könne keine Klinik auskommen, sagt ver.di-Fachsekretär Horst Roth: Deshalb steigere die Uni-Klinik Göttingen ihre Fallzahlen und reduziere gleichzeitig Personal. 800 Stellen sollen abgebaut, Servicedienste ausgelagert werden. Heute versorgt eine Pflegekraft fast 25 Prozent mehr Fälle als 1995, und das bei deutlich erhöhtem Schweregrad.

"Der gemeinsame Protest ist erst der Auftakt", sagt ver.di-Fachbereichsleiter Joachim Lüddecke. Niedersachsen habe schon jetzt mit 53 Betten auf 10000 Einwohner im Vergleich der Länder die geringste Bettenzahl. Der Bundesschnitt liege bei 62 Betten. Im Nordwesten des Landes drohten zudem Klinikschließungen, wenn nichts passiere.