Ausgabe 05/2008
Mein Arbeitsplatz: Uwe Ilgenstein
Protokoll und Foto: R. Fishman
Vaterersatz
Uwe Ilgenstein, 53, Hausmeister an der Laborschule und am Oberstufenkolleg Bielefeld
Sieben Uhr. Wie immer in der Frühschichtwoche schließe ich die Schule auf. Da kommen die ersten Kinder, die aus dem Hause müssen, weil die Eltern so früh arbeiten gehen. Nachmittags muss ich die Letzten hinaus komplimentieren, anders als zu meiner Schulzeit, als man mittags nur noch die Kondensstreifen der Schüler sah. Unsere Schule ist eine Ganztagsschule, deshalb haben wir bis zu 70 Prozent Kinder von Alleinerziehenden. Von manchen höre ich so intime Geschichten, die einem die eigenen Blagen nie erzählen würden. Für manche bin ich so was wie ein Vaterersatz.
Gewalt ist bei uns bisher kein Thema. Die Universität Bielefeld hat Laborschule und Oberstufenkolleg 1974 nach dem Konzept des Reformpädagogen Hartmut von Hentig als Modell- und Versuchsschule gegründet. Hier achten alle darauf, dass niemand ausgegrenzt und die Schwächeren mitgezogen werden. Unsinn machen auch Laborschulkinder, aber ich erreiche sie mit einem Gespräch. Immerhin: Seit zehn Jahren komme ich mit dem Fahrrad zum Dienst; mir hat noch keiner die Luft aus den Reifen gelassen.
Kakao und Flickwerk
In den Pausen verkaufe ich den Kindern Milch und Kakao. In der Zeit dazwischen kämpfe ich mit der veralteten Technik in dem Betonbau aus den 70er Jahren - viel Flickwerk. Seit alles ausgeschrieben werden muss, wird nur das Billigste gekauft. Von den neuen Feuerschutztüren brachen nach kurzer Zeit die Klinken ab. Reklamation zwecklos, der Hersteller hatte Konkurs angemeldet. Was neu kommt, hält höchstens ein Jahr. Wenn ich Farbe brauche, laufe ich tagelang hinter dem Einkaufsschein her. Bis ich den habe, ist das Sonderangebot weg. Der ganz normale Wahnsinn im öffentlichen Dienst. Die Kollegen in Hamburg und Bremen haben für solche Zwecke eigene Budgets, die sie selbst verwalten.
Ursprünglich wollte ich Tierpfleger werden. Weil es keine Stelle gab, fing ich eine Ausbildung zum Maschinenschlosser an. Danach hab ich vieles gemacht: Flugzeuge und Hubschrauber bei der Bundeswehr repariert, Laster durch Europa gefahren, der reine Stress. Doch ich möchte was mit Menschen machen. Jetzt bin ich schon elf Jahre Schulhausmeister, mitten im Leben.