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Der Letzte macht das Licht ausFoto: Soeren Stache/dpa

Klar ist: Es muss dringend etwas passieren. Die Ausrichtung der Krankenhäuser am wirtschaftlichen Wettbewerb hat zu teilweise katastrophalen Zuständen geführt. Die Kliniken haben am Personal gespart und die Fallzahlen zugleich massiv ausgeweitet – medizinisch unnötige Eingriffe inklusive. Die von Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform soll dem ein Ende setzen. "Der Bundesgesundheitsminister hat eine Gesundheitsrevolution ausgerufen", sagt Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand. "Damit einhergehen muss, dass die Ökonomisierung umfassend zurückgedrängt wird." Doch angesichts explodierender Preise und akuter Unterfinanzierung stellt sich noch eine andere Frage: Wie viele Kliniken werden die Reform überhaupt noch erleben?

Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts sorgen sich 70 Prozent der Häuser ernsthaft um ihre Existenz. In den vergangenen Monaten haben bereits 26 Träger mit zusammen 34 Standorten Insolvenz angemeldet. Ein aktueller Fall ist die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, durch deren Pleite fünf Klinikstandorte mit insgesamt rund 1.000 Betten und 2.500 Beschäftigten gefährdet sind. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, Eberhard Bruch, führt das auf verschiedene Faktoren zurück: "Es ist eine Kombination aus struktureller Unterfinanzierung, Liquiditätsproblemen wegen ausstehender Zahlungen der Krankenkassen, den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und den enormen Preissteigerungen. All das führt dazu, dass Krankenhäuser kaputt gehen, noch bevor die Reform startet." Bruch sieht dabei vor allem freigemeinnützige Häuser gefährdet, die weder einen Konzern noch eine Kommune im Rücken haben.

Versorgungslücken im ländlichen Raum

Welche Klinikstandorte das Insolvenzverfahren überstehen, ist noch unklar. Sicher ist, dass rein wirtschaftlich begründete Schließungen Versorgungslücken reißen können – insbesondere im ländlichen Raum. ver.di fordert deshalb ein Notprogramm von zehn Milliarden Euro, das die Existenz der Kliniken sichert, bis die Reform umgesetzt ist.

Die Reform selbst müsse den Versorgungsbedarf und die Belange der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen, fordert Grit Genster, die bei ver.di für Gesundheitspolitik zuständig ist. "Es ist gut und richtig, die Qualität der Krankenhausleistungen in den Fokus zu rücken. Entscheidend dafür sind aber nicht nur die technische Ausstattung und die Zahl der behandelten Fälle, sondern vor allem eine bedarfsgerechte Personalausstattung." Die bestehenden Systeme zur Personalbemessung, wie die von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelte PPR 2.0, müssten rasch verbindlich eingeführt werden. Auch außerhalb der Pflege müsse genug Personal zur Verfügung stehen, um eine gute Versorgung zu gewährleisten.

"Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel hin zu einer bedarfsgerechten Ausstattung und Finanzierung der Krankenhäuser, weg vom wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, den das System der Fallpauschalen den Kliniken aufzwingt", erklärt Grit Genster. Lauterbachs bisherige Vorschläge seien hierfür unzureichend. Der Minister hat zwar mehrfach erklärt, die Fallpauschalen – englisch DRG abgekürzt – beseitigen zu wollen. Tatsächlich aber plant er bislang lediglich, 60 Prozent der Finanzierung über sogenannte Vorhaltebudgets zu gewährleisten. 40 Prozent der Einnahmen würden weiterhin über DRGs verteilt.

"Es ist sehr fraglich, ob die Fehlsteuerungen des DRG-Systems damit beseitigt würden", sagt die Gewerkschafterin. Sie plädiert dafür, nach der Pflege am Bett nun auch alle anderen Berufsgruppen und Tätigkeiten aus den Fallpauschalen herauszulösen und vollständig zu refinanzieren. "Im zweiten Schritt sollte das DRG-System komplett abgeschafft und durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ersetzt werden. Das wäre tatsächlich eine Gesundheitsrevolution."

Das meint auch der DRK-Betriebsrat Eberhard Bruch, der zudem vor weiteren Klinikschließungen warnt. Anders als manche neoliberale Strategen glauben machten, bedeuteten weniger Krankenhäuser nicht, dass die verbleibenden Standorte personell besser ausgestattet werden. "Gerade auf dem Land können Beschäftigte oft nicht so leicht den Betrieb wechseln", betont der Lehrer für Pflegeberufe. "Die Menschen sind keine Schachfiguren, die man einfach woanders hinziehen kann. So lässt sich die Personalnot nicht lösen. Dafür braucht es bessere Arbeitsbedingungen und ein Gesundheitssystem, in dem der Mensch zählt, nicht der Profit."