Franz Kafka: Der Prozess | 125 Jahre Franz Kafka, darüber freuen sich in diesem Jahr die dienstälteste Kafkawitwe Klaus Wagenbach ebenso wie etliche Biografen, Anthologisten und Bildbandherausgeber. Natürlich feiert auch ein Verlag wie Stroemfeld, bei dem die kritisch-historische Franz-Kafka-Ausgabe in handschriftlicher Urform erscheint. Die ist etwas teuer, daneben aber gibt der engagierte Verlag erschwingliche Sonderbände heraus. 2007 war das ein attraktiver Reprint des Bandes Der Landarzt. Noch schöner, will sagen buchästhetisch wirklich schön, ist jetzt der Originalnachdruck des Romanbandes Der Prozess, wie er ein Jahr nach Kafkas Tod erschienen war. In diesem Roman zeigt sich am deutlichsten, dass Kafka nicht nur Dienstwitwen erzeugt hat, sondern auch einen Ko-Autor, nämlich Max Brod, ohne den es zum Beispiel diesen Prozess gar nicht gäbe. Über Brods Rolle für die Bedeutung des Kafka-Werkes berichtet sein Nachwort im Originalband, im Stroemfeld-Reprint folgt noch eines des Herausgebers Reuß, und wenn man nun diese schon mal gelesen hat, verfliegt die Scheu, dieses Buch mit seiner festlichen Aura wirklich anzufassen und zu lesen.

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ROMAN. VERLAG DIE SCHMIEDE 1925, REIHE "DIE ROMANE DES 20. JAHRHUNDERTS", 411 S., REPRINT DER ERSTAUSGABE. STROEMFELD 2008, 29,80 €


Bill Buford: Hitze | Reine Geschmacksache: Bill Buford wechselt vom Schreibtisch des renommierten Magazins New Yorker ins Sterne-Restaurant Babbo. Im reifen Alter von 48 Jahren geht er noch einmal in die Lehre und übt sich in den gnadenlosen Routinen des Küchenalltags: Karotten millimeterfein würfeln, Enten ausbeinen, riesige Fleischstücke in heißem Öl anbraten. Viele Brandblasen später hat der neugierige "Küchensklave" den Sprung zum Profikoch geschafft: Er hört, wenn das Essen gar ist. Bufords Küchenreport lässt keinen Zweifel daran, dass Kochen und Leidenschaft zusammengehören. In einer Hölle ohne Fenster und natürlichem Licht zaubert die Küchencrew mit leichter Hand "weiche kissenartige Pasta, gefüllt mit Ziegenkäse und (...) einem Hauch Fenchelpollen." In der Toskana lässt sich Buford schließlich in die handfesteren Geheimnisse von Bolognese, Rinderbraten und geräuchertem Schwein einweihen. Das Leben des Ex-Literaturredakteurs ist einfacher geworden: Essen, Tiere, Jahreszeiten - that's it.

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Küchenreport, HANSER VERLAG, 384 S., 24,90 €


Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind | Die Liebe auf den ersten Blick - für Emmi und Leo bedeutet er das Ende von allem. Die beiden kennen sich nur durch Worte, eine irrtümlich gesendete E-Mail, und es treffen Welten aufeinander. Die richtigen. Ihre Bekanntschaft wächst mit dem Witz und der analytischen Scharfzüngigkeit ihrer Konversation; da ist etwas geweckt, was keiner zu brauchen glaubte. Leo und Emmi schonen sich nicht, beide schreiben auf gesättigter Grundlage. Sie ist vergeben, er quält sich im Trennungsprozess mit seiner Ex. Irgendwann aber müssen sich beide ihrer Sucht nach den Worten des anderen stellen, den Schutzraum des Geschriebenen verlassen und sich an der Realität messen. Grandios liefert der Österreicher Daniel Glattauer hier alle, den Leser, die Liebenden und vermutlich auch sich selbst, einem Crescendo der Gefühle und Ereignisse aus, bis man vor Schreck er-bleicht. Geschickt nutzt er in seinem Briefroman das Gesetz der Serie, und der Leser folgt willenlos. Ein schlimmer Verführer. Am Ende fällt es schwer, sich von dem aufreibenden Buch zu lösen, so unerreichbar schön beutelt dieses geistreiche Gespräch der Liebe das Gemüt hin und her. Da hilft eigentlich nur eine Fortsetzung.

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ROMAN, GOLDMANN TB, 121 S., 7,95 €