Schlaflose Nächte

Annette Dahn*, 37, Bankkauffrau bei der Sparkasse einer Großstadt, Mitglied im Personalrat.

Wenn wir unsere Filiale früh um neun öffnen, warten schon die ersten Kunden. Das war immer so und hat sich nicht geändert. Ich habe jeden Tag viel zu tun. Was sich geändert hat: In allen Beratungsgesprächen ist jetzt die Finanzkrise Thema. Selbst wenn es nur darum geht, ein Girokonto nach einer Heirat auf den neuen Namen umzuschreiben, werde ich gefragt, wie sicher das Geld ist und wie es weitergeht.

Heute Morgen kam zuerst ein Stammkunde, der lange Zeit Probleme mit einer schlechten Schufa-Auskunft hatte und dem wir trotzdem zur Seite gestanden haben. Die Schwierigkeiten hat er inzwischen nicht mehr. Heute wollte er sein Girokonto auch auf seine Frau umschreiben lassen. Kein Problem. Dann hatte eine Stammkundin einen Termin, die schon über 80 ist. Sie hat einige Zertifikate verkauft, vorsichtshalber. Das Geld legt sie jetzt auf ein Sparbuch. Sie war ganz ruhig. Ihr Vater, sagt sie, habe schon spekuliert und sogar die Weltwirtschaftskrise 1929 gut überstanden. Und sie hat ein "Grundvertrauen in den DAX", wie sie es nennt. In den hat sie auch wieder investiert.

Wertpapiere

Ja, unsere Sparkasse will Geld verdienen. Ja, wir verkaufen Wertpapiere. Und ja, es wird Druck ausgeübt, damit wir in den Beratungen viele Produkte verkaufen. Aber nur deshalb verkaufe ich doch nicht irgendwas. Ich wäge ab, ob das Papier zum Kunden passt. Wir reden über das Risiko, ich nenne die Kosten für das Depot. Und dann entscheidet der Kunde. Wenn er zusammenzuckt, sage ich ihm, dass Festzinssparen gut für ihn wäre. Dass das eine gute Sache ist.

Wir haben auch Zertifikate der Lehman Brothers verkauft. Am 17. September habe ich die ersten Kunden angerufen: "Ich habe keine gute Nachricht für Sie." Anfangs hatte ich schlaflose Nächte. Was hast du da nur verkauft? Ich muss die Schuld mittragen. Meine Kunden sagen: "Ja, es ist schlimm. Aber wer konnte das wissen?" Die meisten von ihnen kenne ich ziemlich gut. Die Geld durch die Finanzkrise verloren haben, trennen diese grässliche Erfahrung von meiner Arbeit. Jeder von uns weiß, wie es dem Anderen jetzt geht. Ich bin froh, wenn Kunden, die Verluste erlitten haben, jetzt sagen: "Wir bleiben in Kontakt."

Mein eigenes Geld habe ich bei der Sparkasse und bei einer Genossenschaftsbank angelegt, das ist Familientradition. Schon mein Opa hat bei einer Bank gearbeitet, Bankberater zu sein, liegt in der Familie. Nur eine Großbank wäre nicht in Frage gekommen. Ich habe mich bewusst für eine Sparkasse entschieden.

Protokoll: Claudia von Zglinicki

Name von der Redaktion geändert