Keine Papiere, aber Arbeit

Erste gewerkschaftliche Beratungsstelle für Einwanderer ohne Papiere in Hamburg

Zlatan F.* arbeitete sieben Jahre für einen Handwerksbetrieb. Auf seiner Stempelkarte sind die Arbeitsstunden notiert, in manchen Monaten bis zu 400. Acht Euro Stundenlohn hatte er mit dem Chef vereinbart. Das Geld bekam er nur als Abschlagszahlung, nie mehr als 1000 Euro im Monat. Heute stehen 49000 Euro aus.

"Undokumentiert" sind Migranten wie Zlatan F. aus Serbien, weil sie keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Undokumentiert sind auch ihre Arbeitsverhältnisse. Kein Vertrag, der Arbeitszeit, Urlaub, Überstunden regelt. Zlatan F. besitzt nur die Stempelkarten und die Zeugenaussage eines Kollegen. Damit ist er zu ver.di gegangen. Seit Mai 2008 finden Menschen wie er Unterstützung bei MigrAr, der Anlaufstelle für Migrant/innen ohne gesicherten Aufenthalt bei ver.di Hamburg. Die Mitarbeiter beziehen sich auf die Unteilbarkeit der Menschen- und Arbeitsrechte. "Es muss möglich sein, die Arbeits- und Sozialrechte durchzusetzen. Sie dürfen nicht allein an den Aufenthaltsstatus gebunden sein", sagt Peter Bremme, Leiter des ver.di-Fachbereichs Besondere Dienstleistungen.

Mund-zu-Mund-Propaganda

In vielen Wirtschaftsbereichen sind Einwanderer ohne Papiere beschäftigt. "Sie arbeiten teilweise unter sklavenähnlichen Bedingungen und müssen häufig gefährliche oder schmutzige Arbeiten verrichten", sagt MigrAr-Mitarbeiterin Emilija Mitrovic. Viele Ratsuchende kommen dienstags ins Gewerkschaftshaus, was Peter Bremme auf die gute Vernetzung zurückführt. Die Information, dass die Gewerkschaft auch papierlose Menschen unterstützt, macht über Mund-zu-Mund-Propaganda die Runde. Dabei helfen das Netzwerk aus kirchlichen Trägern, Beratungsstellen und Vereinen und Kontakte in die afrikanische, südamerikanische und osteuropäische Community.

Ein Anwalt der DGB-Rechtsberatung erklärt dem neuen ver.di-Mitglied das Verfahren. Zuerst setzt er ein Schreiben an den Arbeitgeber auf. "Das hat in einem Fall schon gewirkt", sagt Peter Bremme. "Es ist ein Unterschied, ob ein Beschäftigter seine Rechte einfordert oder eine Gewerkschaft." Doch das Risiko der Abschiebung besteht weiter, wenn der Richter vorm Arbeitsgericht die Personalien des Klägers an die Ausländerbehörde meldet. "Deshalb streben wir immer eine Einigung in der Güteverhandlung an", sagt Emilija Mitrovic. "Dort muss der Kläger nicht persönlich anwesend sein." Anwesenheitspflicht besteht in der zweiten Verhandlung. "Sie dürfen ihr Recht zwar einklagen, aber wenn sie es tun, fliegen sie raus", bringt Peter Bremme es auf den Punkt. MigrAr ist ein Pilotprojekt, um neue Wege zu erproben. Denkbar ist die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm, um gegen die Arbeitgeber auszusagen, die wegen Steuerhinterziehung angeklagt werden, oder eine Aussage per Video an einem geschützten Ort.

Ein Verfahren endete bereits erfolgreich: Eine lateinamerikanische Haushaltshilfe hat den ausstehenden Lohn erhalten. Ihre Identität wurde offengelegt, aber sie hat es geschafft, wieder unterzutauchen. Zlatan F. möchte nach Serbien zu seiner Familie zurückkehren. ver.di wird seinen Fall vertreten. MICHAELA LUDWIG

*Name von der Redaktion geändert