Der Film zur Krise

Let's Make Money | So. Wo ist nun all das schöne Geld? Was uns heute umtreibt, hat Filmemacher Erich Wagenhofer seit zwei Jahren recherchiert und liefert zum richtigen Zeitpunkt dringend benötigte Antworten und Bilder. Für seinen neuen Film ist er dem Geld gefolgt, auf seinem zwielichtigen Weg durch die internationalen Finanzkanäle. Wagenhofers Arbeitsweise ist seit seiner Lebensmittel-Dokumentation We Feed The World unverändert. Er holt die Gegensätze vor die Kamera. Eingefleischte Neoliberale und Globalisierungskritiker. Er fragt Präsidenten von Investmentfonds, Unternehmer, Immobilienhändler. Aber auch Geografen und Agronomen. Oder Globalisierungskritiker wie Werner Rügemer und Hermann Scheer, letztere unseren Leser/innen durchaus mit ihren Positionen vertraut. Und er stellt die Fragen mit der naiven Haltung des Papalagi: Wie kann Geld "arbeiten"? Wohin fließt es, wenn wir es der Bank anvertraut haben? Und: Wer zahlt, wenn die mit kaputten Krediten dasteht? Nun, letzteres wissen wir inzwischen. Der Film folgt den vier Säulen des Neoliberalismus und sieht sich die Konsequenzen der Deregulierung, der Liberalisierung des Handels, der Privatisierung und der Enstaatlichung in betroffenen Ländern an. Er geht zu den Goldschürfern in Ghana und zeigt, wie 97 Prozent des Goldes in die Schweiz wandert. Drei Prozent bleiben für Afrika, das man dafür noch zahlen lässt. Mit weiteren Schulden.

Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung sagt, dass Grenzen für Geld, Dienstleistungen und Waren offen sein müssen. Bei Menschen aber solle man einen Eintrittspreis verlangen, wie in einem Tennisclub. Das ist neoliberaler Autismus, wie ihn auch Investor Mark Mobius (Foto) in Singapur kultiviert. Dort sind die Bedingungen super, da nur seine Angestellten Steuern zahlen müssen. Ethik sei im Übrigen nicht die Aufgabe von Investoren. Schön ist es auch auf Jersey, der idyllischen Steueroase im Ärmelkanal. Dort nimmt man alles, Schwarzgeld, Drogengeld, Blutgeld. Weil das anstrengend ist, kommt die sonst stille Insel schon mal wegen systematischen Missbrauchs seiner Waisenkinder in die Zeitung. Und unsere Rentenbeiträge stecken teilweise in tausenden leerstehenden Wohnungen, die wie ein "Zement-Tsunami" die spanische Küste überrollt haben. Als Geldanlage.

Let's Make Money ist ein Erklärstück. Funktionskino. Und nie war das so wertvoll wie heute. Wir lernen ja gerade wieder: Vertrauen ist nicht. Hingucken ist besser.

Jenny Mansch

Ö 2008. R: E. Wagenhofer, L.: 110 Min, Kinostart 30.10.


Immer an der Wand lang

Nordwand | Man nennt sie auch den Menschenfresser. Insofern kann man froh sein, dass alle an diesem Film Beteiligten heil aus der Wand des Eiger zurückgekommen sind. Regisseur Philipp Stölzl hat die dramatische Besteigung der Eiger-Nordwand durch Toni Kurz und Andi Hinterstoisser als klassischen Bergfilm in Szene gesetzt. 1936 waren die jungen Alpinisten aufgebrochen, um als erste die "Todeswand" zu durchsteigen. Beobachet von den Medien und den Touristen am Fernrohr, beginnen zwei Seilschaften den Aufstieg am 18. Juli. Vier Tage verfolgt man mit Spannung die unglaublichen Kletterkünste der bald durch Probleme vereinten Teams. Dann ist der Spuk vorbei. Auch Stölzls atemberaubender Film wird vom wetterfühligen Eiger ganz und gar beherrscht. Fast scheint die fiktive Rahmenhandlung dem Wunsch geschuldet, wenigstens den Zuschauer ab und zu ins Warme zu lassen. Gegen die aufregenden, fast dokumentarischen Bilder aus der Wand und den Krawall des übellaunigen Hauptdarstellers hat sie kaum eine Chance. Ein echtes Abenteuer im Kinosessel, perfekt ergänzt durch das opulente Filmbuch des Schweizer AS-Verlags.

JM

D/Ö/CH 2008, R: PHILIPP STÖLZL, K: KOLJA BRANDT; D: B. FÜRMANN, F. LUKAS, U. TUKUR, J. WOKALEK, 121 MIN., KINOSTART: 23.10.08


Anonyma - Eine Frau in Berlin | Die beste Entscheidung war die Besetzung. Nina Hoss spielt einfühlsam die bis zu ihrem Tod anonym gebliebene Frau, die bei Kriegsende Tagebuch führte über das Überleben in der eroberten Stadt. Ihre Aufzeichnungen sind ein einmaliges literarisches Dokument dieser Zeit. Im unsentimental-pragmatischen Ton der Berlinerin schrieb die Fotojournalistin im Bombenkeller erstmals auf, was geschah: die Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten, die Nächte der Bombardierung, den Hunger, die Gemeinheit, auch das Gemeinsame. Es ist dieser Ton, mit dem sie Distanz zwischen sich und den Schrecken zu bringen schien. Dieser Ton geht in der Verfilmung leider völlig flöten. Sie konzentriert sich auf den Schrecken der Vergewaltigungen, doch alles wirkt bedenkenschwer und unentschlossen. Das Drehbuch - und das war die schlechteste Entscheidung - endet vorzeitig mit dem Abzug der Russen aus dem Viertel. Anonymas kluge Gedanken zu Verantwortung und Sühne, die Arbeit in den Trümmern, der Hunger und die Beschaffungsmodalitäten sind ausgeblendet zugunsten eines Effekts, der die Geschichte wohl zuspitzen sollte. Letztendlich zieht er ihr nur den Zahn. Gerade das aber hat die Autorin nicht verdient.

JM

D/P 2008, R: MAX FÄRBERBÖCK, D: NINA HOSS, EVGENY SIDIKHIN, IRM HERMANN; L.: CA.110 MIN., KINOSTART: 23.10.08


High School Musical 3 - The Senior Years | Wie sagt Michael J. Fox in Zurück in die Zukunft zu seinem befremdeten Publikum? "Ihr findet das vielleicht schrecklich, aber eure Kinder werden es lieben!" Ähnlich ratlos stehen weltweit die Eltern vor dem Phänomen der High-School-Musical-Filme und dem Superstar-Status sämtlicher Darsteller. Die beiden ersten Folgen des Schulmusicals waren lediglich für TV und DVD konzipiert. Doch sie hatten die Rechnung ohne die einschaltwütigen Teenies gemacht. Teil drei kommt deshalb ohne Umwege in die Kinos. Die Senior Years stehen an, der Gruppe sing- und tanzbegeisterter Schüler droht die Trennung. Doch zum Abschied stellen sie ein weiteres Musical auf die Beine - wie üblich gegen einige Widerstände. Die Einkommensschere ihrer Eltern treibt immer mal einen Keil zwischen die Freunde, doch auch diesmal rauft man sich wieder zusammen. Die Liebesgeschichte zwischen Gabriella und Troy könnte niedlicher nicht sein, die Tanzchoreographien haben ein erstaunliches Niveau, die Songs sind der pure Pop, und die Eltern kommen ohne Lektion auch nicht davon. Das ist amerikanisches Zuckerwattenkino, unpolitisch, professionell und ohne großen intellektuellen Gehalt. Aber Ihre Kinder werden es lieben.

JM

USA 2008, R.: Kenny Ortega, D.: Zac Efron, Vanessa Hudgens, Ashley Tisdale und Corbin Bleu, L.: ca. 100 Min., Kinostart: ab 23.10.08