Arbeitsrechtler Prof. Wolfgang Däubler (rechts) und Psychologin Dr. Evelin Kroschel-Lobboda (2.v. l.), Wiebke Oldsen, ver.di-Referenten-AK Bildung, und Fritz Schmalzbauer, KBV

Betriebs- und Personalräte müssen lernen Grenzen zu überwinden

Unter dem Motto "Wissen, um zu handeln" hatten der Referenten-Arbeitskreis des Bereichs Bildung von ver.di München und der Bildungsträger KBV Betriebs- und Personalräte im Dezember ins Münchner Gewerkschaftshaus eingeladen. Die Resonanz war beeindruckend: 250 Kolleginnen und Kollegen kamen und konnten viele Informationen und Anregungen mitnehmen, die auch über die tagesaktuelle Arbeit hinaus von Nutzen sind.

Während der Schwerpunkt für den Vormittag "Recht haben und Recht bekommen - Grenzen des Arbeitsrechts" wenig überraschte, dürfte die Auswahl für den Nachmittag mit "Stressjob Betriebsrat/Personalrat - Das BR-/PR-Team motivieren" einiges Erstaunen hervorgerufen haben. Ein Brückenschlag, der neben Neugier auch Skepsis geweckt hat, aber am Ende gelungen ist.

Dass "Recht haben" nicht immer "Recht bekommen" heißt, lernt jeder Betriebsrat schneller, als ihm lieb ist. Dass sich mit Wissen, Strategie und einer Portion "Bauernschläue" so manche Hürde nehmen lässt, demonstrierte Wolfgang Däubler, Professor für deutsches und europäisches Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Gezielt und strukturiert lotste er die Teilnehmer/innen durch den Dschungel des Rechtssystems - mit Abstechern zu praktischen Beispielen, bei denen Querdenken und Findigkeit am Ende zum Ziel geführt haben. Nicht zuletzt dank seines schwäbischen Charmes ein unterhaltsamer und spannender Spaziergang durch eine trockene und schwierige Materie. Angefüllt mit vielen kreativen Ideen, die verlocken, gleichzeitig aber auch spürbar machen, wie hoch die Anforderungen sind. Nicht jedes Gremium wird in der Lage sein, aus eigener Kraft diese Messlatte zu überspringen. Entscheidend dürfte es deshalb sein, die eigenen Grenzen zu kennen und zu wissen, welche Unterstützung man sich holen muss, um sie dann zu überschreiten.

Gesunde Distanz

Der KBV-Geschäftsführer Fritz Schmalzbauer führte in den Schwerpunkt des Nachmittags ein und spannte den roten Faden auf der Basis eines aktivierenden Bildungskonzepts, das sich aus seiner Sicht in allen Aspekten am Alltag der Betriebs- und Personalräte orientieren muss. Neben den Grenzen des Arbeitsrechts muss dabei auch einer anderen Grenze Rechnung getragen werden, an die ein BR/PR stoßen kann: psychische Belastung.

Die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, die Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen, Konflikte in der Belegschaft, aber auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb des eigenen Gremiums können von Zeit zu Zeit zu einer inneren Zerreißprobe werden. Die Münchner Psychologin Evelin Kroschel-Lobodda zeigte Folgen derartiger Konstellationen, aber auch Hintergründe des "zwischenmenschlichen Agierens" auf. Als ein Beispiel nannte sie Kränkungen, die langfristig auch "krank machen" und auf die von den Betroffenen wiederum meist mit "Rache" reagiert wird.

Die psychologischen Wurzeln des eigenen Handelns und des Handelns des Gegenübers zu erkennen, sieht Kroschel-Lobodda als Weg, destruktive Reaktionsmuster aufzubrechen und eine gesunde innere Distanz zu entwickeln. Allerdings blieb auch am Ende der Diskussion die Frage offen, ob Mechanismen, die ein hohes Maß an Authentizität und Gleichwertigkeit voraussetzen, in einem System, das aus Rollen- und Machtzuschreibungen besteht, nachhaltig erfolgreich sein können.

Erfolgreich war in jedem Fall das Konzept dieser Tagung: Grenzen erkennen, Grenzen begegnen, Grenzen überwinden. Mit Köpfchen, Kreativität und Gleichgesinnten.BARBARA HEIDEN