Die ver.di-Jugend Südhessen geht dahin, wo es Auszubildende schwer haben

Noch nicht grau hinter den Ohren: Die JAVler beim Empfang von ver.di Südhessen

VON RENATE BASTIAN

In den meisten Gewerkschaftsversammlungen blickt man auf Häupter mit allen möglichen Schattierungen von Grau. Wo bleibt die Jugend? Diese Frage hat oft einen bangen Unterton. Dass der Zugang gar nicht so schwer ist, weiß die ver.di-Jugend in Südhessen. Anfang März gab sie einen Empfang für Mitglieder in Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) und konnte hocherfreut feststellen, dass 40 junge Leute aus fast allen Fachbereichen kamen. Die Vorstellungsrunde wurde somit zu einem Erkundungsgang durch das breite Spektrum der ver.di-Region. In einem Workshop wurden die Grundlagen der Arbeit in den JAV diskutiert: Auf welcher rechtlichen Basis wird gearbeitet? Welche Rolle spielt die JAV im betrieblichen Alltag? Wie bereitet man in den Betrieben oder Dienststellen eine Versammlung der Auszubildenden vor?

Wer gelernt hat, will arbeiten

Übernahme nach der Ausbildung, der zweite Schwerpunkt, ist zurzeit das brennende Thema in Südhessen. Die Forderung: Alle sollen im erlernten Beruf weiter beschäftigt werden. Das Problem Übernahme spitzt sich besonders im öffentlichen Dienst zu. Hat jemand zum Beispiel im Regierungspräsidium Darmstadt, etwa in der Wasserwirtschaft, die Ausbildung absolviert, dann besteht womöglich eine Zusage für ein halbes Jahr Weiterbeschäftigung. Das reicht gerade für einen Schnupperkurs in Berufserfahrung. Was aber geschieht danach? Immer mehr Abteilungen im öffentlichen Dienst werden ausgelagert. An der Schnittstelle der Forderungen "Stopp der Privatisierung" und "Übernahme nach der Ausbildung" treffen sich Alt und Jung der Gewerkschaft. Denn in der privaten Wirtschaft können sie mit der spezifischen Ausbildung kaum unterkommen.

Nehmen wir Riedstadt und Heppenheim mit den beiden Zentren für soziale Psychiatrie. Dort sind in nächster Zeit Versammlungen zu diesem Thema in Vorbereitung. Trotz Personalabbaus und Examenskursen von 18 Teilnehme-r/innen ist zum Beispiel in Riedstadt noch keine Übernahme zugesagt. Zugleich fallen viele Überstunden an. Hier will ver.di ansetzen.

Zudem lässt die Ausbildung oftmals zu wünschen übrig. Die Jugendbildungsreferentin Anne Neuendorf erwähnt als ein Beispiel den Einzelhandel, wo Auszubildende oft aus ihren Ausbildungsabteilungen herausgerissen und als Springer an den Kassen eingesetzt werden. Auch hier will die ver.di-Jugend etwas bewegen. Das läuft in der Regel so: Vorbereitend zu den Aktionen finden Klausurtagungen mit Auszubildenden statt, die sich intensiv mit den anstehenden Problemen beschäftigen. Aber zuerst muss einmal die eigene Interessenlage erkannt werden. Jeder bekommt eine Karte, schreibt die positiven und die negativen Aspekte der Ausbildung auf. Alle nehmen daran teil, Zielsetzung und Form der Aktion zu besprechen.

In den Betrieben

Die ver.di-Jugend macht sich aber auch direkt in die Betriebe auf. In Absprache mit der Geschäftsleitung stehen an einem Tag sechs Stunden zur Verfügung. Hier sprechen dann Junge mit Jungen, über, wie Anne Neuendorf sagt, ausbildungsrelevante Themen wie die Aufgabe von Tarifverträgen, das Betriebsverfassungsgesetz - aus berufenem Mund. Deshalb ist die Teilnahme auch Pflicht. So kommt man über vieles ins Gespräch. Im Herbst steht dann die Berufsschultour an.

Nach der Tage Arbeit lädt der Jugendvorstand Anfang Juni zur Beach-Party hinter dem Gewerkschaftshaus in Darmstadt ein. Dort gibt es zunächst viel Parkplatz und wenig Strand. Um das Ambiente aufzupeppen, werden Sand und Blumen herangekarrt, Cocktails gemixt und getrunken, gegessen, geredet und getanzt.

Wie es gelang, die Azubis auch in die Streikaktionen einzubeziehen? Anne Neuendorf weiß es: Der Bezirksvorstand und die Geschäftsführung haben die Teilzeitstelle der Jugendbildungsreferentin aus eigenem Etat auf eine ganze Stelle aufgestockt. "Man zahlt eine halbe Stelle mehr und bekommt ein doppelt und dreifaches Ergebnis."

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