VERSAMMLUNGSFREIHEIT

ver.di: Hände weg vom Versammlungsgesetz

Müssen Warnstreikaktionen und Demonstrationen künftig drei Tage vorher angemeldet werden? Wie die CSU in Bayern will auch die CDU in Niedersachsen die Versammlungsfreiheit drastisch einschränken. Ein entsprechender Referentenentwurf von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kursiert bereits. Nun droht Koalitionskrach:

Die FDP hat erklärt, Einschränkungen der Grundrechte nicht zu akzeptieren. Im ersten Entwurf des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes ist vorgesehen, dass Versammlungen unter freiem Himmel mindestens 72 Stunden statt bisher 48 Stunden vor der Bekanntgabe angemeldet werden müssen. Im Klartext: Gewerkschaften müssten künftig auch Warnstreik-Demonstrationen drei Tage vorher anmelden.

Ein erstes Rechtsgutachten des DGB beinhaltet harsche Kritik am CDU-Entwurf. Dieser zeichne sich vor allem durch eine "Hinwendung zu obrigkeitsstaatlichen Lösungen" sowie durch eine "Aufwertung des behördlichen Eingriffs- und Sanktionsapparats" aus. So sollen die Pflichten des Versammlungsleiters so ausgeweitet werden, dass er zu einer Art Handlanger der Polizei degradiert wird. Die Juristen befürchten auch, dass durch die geplanten Befugnisse zur Datenerhebung bei Versammlungsleitern immer weniger Bürger/innen bereit sein könnten, diese Verantwortung zu übernehmen. Durch den Mehraufwand und die Risiken seitens der Veranstalter sei die freie Entscheidung zur Wahrnehmung eines Grundrechts behindert.

Videoüberwachung zulässig

Ähnlich wie im Bayerischen Versammlungsgesetz sollen künftig auch in Niedersachsen umfangreiche Videoüberwachungen von Demonstrationen und somit allen Teilnehmer/innen zulässig sein. Im Ergebnis erwarten daher die Gutachter, dass demokratische Versammlungen bürokratischer, aufwändiger und riskanter werden. Hoffnung macht das Bundesverfassungsgericht, das am 27. Februar das Versammlungsgesetz in Bayern per Eilentscheid in einigen Punkten gekippt hat. Dazu zählen die Bußgeldvorschriften beim Verletzen der Bekanntgabe-, Anzeige- und Mitteilungspflichten der Veranstalter, die Mitwirkungspflicht des Leiters und das Militanzverbot der Teilnehmer/in-nen sowie die uneingeschränkte Videoüberwachung. Bayern war das erste Bundesland, das nach der Föderalismusreform 2006 von der Gesetzeskompetenz für das Versammlungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Dagegen hatten Gewerkschaften und Parteien Verfassungsbeschwerde eingereicht. Im Sommer wird das Urteil erwartet.

Aber schon jetzt geht durch den Eil-Entscheid ein klares Signal aus von Karlsruhe in Richtung der Länder, die sich anschicken, denselben Fehler wie Bayern noch einmal zu machen. ver.di fordert gemeinsam mit dem DGB Innenminister Schünemann auf, die verfassungsfeindlichen und undemokratischen Gesetzesteile fallen zu lassen und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Vielleicht hilft ein Blick in den versammlungsfreundlichen Gesetzentwurf der Grünen vom Herbst 2008, der zum Bespiel eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten vorsieht.