Aufsehen erregend

The Making of Art | 1972, Jörg Immendorf war noch nicht der bekannte Künstler, der er viele Jahre später sein sollte, da malte er ein Bild im Stil eines Polaroidabzugs, auf dessen Rand oben zu lesen ist: "Ich wollte Künstler werden...". Unten ist mit derselben Handschrift gepinselt: "Ich träumte davon, in der Zeitung zu stehen, von vielen Ausstellungen..." Dazu sieht man auf dem eigentlichen Bild den Maler bei Kerzenschein in einer Dachkammer auf der Erde mit seiner Malerpalette vor einer leeren Leinwand sitzen. Irgendwie erinnert er an den "Armen Poeten" von Spitzweg, nur dass über seinem Kopf statt eines Regenschirms eine Luftblase mit seinen Träumen schwebt: bunte Bilder und ein Zeitungsausschnitt über ihn. Dass es schon bald so kommen würde, dazu haben Bilder des Künstlers wie dieses letztendlich beigetragen.

Mehr jedenfalls als die Aktionen, mit denen Immendorf bereits Ende der 60er um Aufmerksamkeit für seine Interventionen buhlte. 1968 lief er, bis die Polizei kam, mit einem schwarz-rot-goldenen Klotz am Bein vor dem Bundestag in Bonn auf und ab. Seinerzeit stellte das bereits einen Straftatbestand dar, weil an der Unterseite des Klotzes die Bundesfarben beschädigt worden waren. 1969 flog Immendorf schließlich deshalb von der Kunstakademie Düsseldorf. So provoziert hatte nicht einmal sein Meister Joseph Beuys.

Dennoch benötigten beide das Aufsehen, um letztendlich zu den bekanntesten deutschen Künstlern zu zählen. Und es ist bezeichnend für das Entstehen von Kunst schlechthin. Mit The Making of Art widmet sich die Schirn Kunsthalle in Frankfurt genau diesem Aspekt, dem Reiz der Kunstwelt. Seien es das Publikum, der Sammler, die Kritikerin, die Ausstellungsmacher, die Galeristen und nicht zuletzt die Künstler selbst: Sie alle leben vom Besonderen, was ein Kunstwerk ausmacht, arbeiten sich daran ab, ergötzen sich oder verdienen daran.

Doch was vor 40 Jahren noch einer Revolution gleichkam, reicht heutzutage nicht mehr zum Ansehen. Künstlerinnen wie Tracey Emin müssen gleich ihr ganzes Liebesleben für die Betrachter sezieren, um beachtet zu werden. Sie hat das zu einer der bestbezahlten Künstlerinnen gemacht. In der Schirn schiebt sie sich in der Fotoarbeit I've got it all einen Haufen Geld zwischen ihren nackten Beinen in den Schoß. Daneben wirkt Immendorfs Bild Wo stehst du mit deiner Kunst, Kollege? wie der Versuch, die Kunst zu politisieren. Instrumentalisiert wird sie am Ende von allen.

Petra Welzel

SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, RÖMERBERG, DI/FR-SO, 10-19 UHR, MI/DO 10-22 UHR, 29. MAI BIS 30. AUGUST


FaltenReich | Kaum ein Werk der Kunstgeschichte ist so bekannt und derartig oft neu erfunden worden wie der Jungbrunnen von Lucas Cranach dem Älteren von 1546. Alte, gebrechliche Menschen steigen auf der einen Seite in ihn hinein, um durch ein Bad im Brunnen auf der anderen Seite wieder jugendlich frisch herauszuhüpfen. Schön wäre es, wenn man gelegentlich die Zeit zurückdrehen und sich ein paar Jahre schenken könnte. Die Realität ist aber eine andere. Wir altern und bekommen Falten, immer mehr. Das Grassimuseum in Leipzig hat jetzt eine Ausstellung zu diesem Thema konzipiert, die die Generationen miteinander ins Gespräch bringen möchte. Mit zeitgenössischen und historischen Ausstellungsstücken aus Alltag, Medizin, Technik und Ritualen eröffnet die Ausstellung ein ganzes Reich der Falten, in dem junge und alte Menschen gleichermaßen zu sehen, hören und erfahren bekommen, dass jede Falte eine Geschichte hat. Und jede Falte das Leben bereichert - nicht nur das eigene.

PEWE

GRASSIMUSEUM LEIPZIG, JOHANNISPLATZ, DI-SO 10-18 UHR, BIS 4.OKTOBER


100 Beste Plakate des Jahres | Sie begegnen einem auf Schritt und Tritt, lange auch schon bei der Fahrt übers Land und auf der Autobahn. Plakate pflastern unsere Wege, beziehungsweise unseren Blickwinkel. Früher sagte man gern, man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Heute gibt es Straßenzeilen, da sieht man das Bild vor lauter Plakaten nicht. Und doch schafft es immer wieder das eine oder andere Plakat unseren Blick auf sich zu ziehen. Hierzu zählt auch das des Internationalen Menschenrechtsforums Luzern zum Thema Menschenrechte und Kinder. Es zeigt schlicht zwei schwarze Piktogramme menschlicher Figuren, die eine mit drei Rettungsringen um den Bauch, die bei der anderen Figur als dicke weiße Finger um den Leib greifen. In seiner Schlichtheit ist das Bild ergreifend. Man will wissen, wer hier wofür wirbt. Und genau das zeichnet die meisten der in Bremen gezeigten Plakate aus.

PEWE

WILHELM WAGENFELD HAUS - DESIGN IM ZENTRUM, BREMEN, AM WALL 209, DI 15-21 UHR, MI-SO 10-18 UHR, BIS 30. AUGUST