Iggy Pop: Preliminaires | Für das, was jenseits seiner Grenzen vorgeht, interessiert sich der Amerikaner ja nur im Notfall. Das erklärt vielleicht, warum ein gewisser Iggy Pop erst vor wenigen Jahren einen gewissen Michel Houellebecq entdeckte. Dann aber hatten sich mit dem Godfather of Punkrock und dem umstrittenen Schriftsteller zwei Brüder im Geiste gefunden, die viel miteinander verbindet, darunter die Lust an der Provokation und ein radikaler Existentialismus. So begeistert war der US-Rocker vom französischen Autor, dass er mit Preliminaires gleich ein ganzes Album aufgenommen hat, inspiriert von dessen Texten: Auf dem offenbart Iggy Pop, der Zeit seines trotz aller Drogeneskapaden bereits 62 Jahre währenden Lebens vor allem mit kraftstrotzender, rüder Musik reüssierte, völlig neue Seiten. Abgesehen von wenigen rockigen Stücken verwandelt sich Pop in einen Chansonnier, demonstriert einen ungeahnten Schmelz in der Stimme und stellt in dem wundervollen King of The Dogs sogar sehr gekonnt Tom Waits nach. Bisweilen gerät das eigentlich ja absurde Unternehmen - wenn die Rezitation von Houellebecqs Texten gar zu dramatisch inszeniert wird oder das Saxophonsolo gar zu verraucht klingt - zwar zur Karikatur, bewahrt aber grundsätzlich eine überraschende Würde.

TO

Pop, CD, EMI


Rotfront: Emigrantski Raggamuffin | Könnte die Postmoderne tanzen, dann wohl am liebsten hierzu. Auf dem Debütalbum der Hausband der Berliner Kneipe Kaffee Burger, wo der Autor Wladimir Kaminer seine legendären Russendiskos veranstaltet, finden Stile aus aller Herren Länder zusammen: polnische Polka und jiddischer Klezmer, Rap aus dem Norden und Reggae aus dem Süden, Rock aus dem Westen und Balkan-Pop aus dem Osten. Kein Wunder: Das beständig seine Form und Größe wechselnde Kollektiv hat Mitglieder aus Ungarn und der Ukraine, aus Australien, den USA und Deutschland. Zusammen vertont man, so staatstragend das auch klingen mag, die Völkerverständigung. Ohne allerdings die Differenzen einzuebnen: Der mannigfaltige Einwandererchor erklingt in seinen vielen Muttersprachen, die verschiedenen musikalischen Genres werden nicht zusammengematscht, sondern stolz nebeneinander ausgestellt. Das Ergebnis ist Hoppelmusik auf höchstem Niveau, nicht ohne karikierende Züge, aber immer mit Spaßgarantie. Denn schlussendlich spielen Rotfront schlicht den Soundtrack zur der Party, den die deutsche Hauptstadt gerade feiert. Denn längst gilt: "Berlin ist keine Stadt", singt eine der vielen Stimmen, "Berlin ist ein Heimatland".

TO

CD, Essay Recordings/ Indigo


Vince Mendoza & Metropole Orchestra: El Viento | Mendozas Verbindung von Jazz & Flamenco ruft unwillkürlich die Erinnerung an die legendäre Partnerschaft von Arrangeur Gil Evans und Trompeter Miles Davis auf Sketches of Spain wach. So spannend die Platte ist, sie hat doch einen Schönheitsfehler: Nicht ein Spanier war damals,1959, beteiligt. Der mit vier Grammys dekorierte amerikanische Komponist und Arrangeur Vince Mendoza geht da weiter und knüpft an seine epochale Jazzpaña aus dem Jahr 1993 an. Auf El Viento sind spanische Musiker mit von der Partie. Und sie bringen die nötige, authentische Flamenco-Würze ein - in Form von Gesang, Gitarre und Tanz. Dazu gibt's Jazz-Improvisation und orchestralen Sound. All dies verbindet der Orchesterchef zu einem ambitionierten Werk, an dem sage und schreibe 70 Musiker beteiligt sind - fünf Flamenco-Solisten plus dem niederländischen Metropole Orchestra, dem einzigen sinfonischen Jazz-Orchester weltweit. Die Song-Texte stammen von Federico García Lorca, Spaniens Nationalpoet des 20. Jahrhunderts, der selbst auf Gitarre und Klavier improvisierte und eigene Lieder schrieb. El Viento präsentiert seine Gedichte in einer vollendeten Synthese aus Flamenco-Feuer, fesselnden Jazz-Soli und außergewöhnlichen sinfonischen Klangtexturen.

RIX

Jazz, CD, ACT/ Edel