Vor dem Naziklamottengeschäft Tønsberg in Nürnberg verbringen ver.di-Beschäftigte seit April jeden Tag ihre Mittagspause. Inzwischen wollen sie mehr als nur das Aus für den Laden.

Es ist fünf vor Zwölf – geplantes Vorgehen gegen Rechtsextremismus

von Heinz Wraneschitz

NÜRNBERG | "Aktive Mittagspause gegen Rechts!" Seit April jeden Mittag um Fünf vor Zwölf die gleiche Prozedur: Mitarbeiter der ver.di-Bezirksverwaltung Mittelfranken ziehen, mit dem Pausenbrot in der Hand und Anti-Nazi-T-Shirts bekleidet, zum Tønsberg-Laden. Der liegt nur einen Katzensprung vom Gewerkschaftshaus entfernt.

Tønsberg: Auf den ersten Blick ein ganz normaler In-Klamotten-Laden. Doch dessen Marke Thor Steinar steht bei Rechten hoch im Kurs. Geschäfte mit dem Logo, das an die norwegische Fahne erinnert, gibt es in sieben deutschen Städten.

Im November 2008 eröffnete Tønsberg in Nürnberg. Ulli Schneeweiß, Stellvertretender Geschäftsführer von ver.di Mittelfranken erinnert sich: "In den ersten Tagen gab es machtvolle Proteste" gegen das Geschäft; an denen nahmen alle möglichen Antifaschisten teil. "Wir warteten insgeheim darauf, dass die Betreiberkette selbst einsieht: Sie ist hier unerwünscht. Doch davon ist nichts mehr zu spüren", bedauert der Gewerkschafter.

Wut im Bauch

"Nach den ersten erfolglosen Protesten gab es bei einigen von uns einen antifaschistischen Reflex: Wir haben uns entschlossen, jede Mittagspause vor dem Laden zu demonstrieren", schildert Schneeweiß den Beginn der täglichen Aktionen. "Im Lauf der Zeit wurde ein geplantes Vorgehen gegen Rechts daraus. Inzwischen nehmen wir nicht mehr nur den Laden, sondern die ganze rechtsradikale Szene in Franken ins Visier."

Denn im Norden Bayerns gibt es eine ziemlich große Zahl aktiver Neonazis, wie offizielle Statistiken zeigen. In den letzten Jahren hat sich die Szene oft in Gräfenberg getroffen, einer kleinen Stadt in Oberfranken mit einem monumentalen Kriegerdenkmal mittendrin. Daran marschieren die Rechten sehr gerne vorbei.

Die Bürgerinitiative (BI), die den Neonazis Einhalt gebietet, wurde von vielen Seiten für ihr couragiertes Auftreten ausgezeichnet. Die Nazis bedankten sich auf ihre Weise: Deren "1. Nationaler Frankentag" mit viel brauner Musik fand 2008 unmittelbar auf dem Nachbargrundstück eines der engagiertesten BI-Mitglieder statt.

Manche Behörde in Oberfranken sieht solche Umtriebe scheinbar unkritisch. So sagt die Forchheimer Landratsamts-Sprecherin: "Je mehr man öffentlich wird, um so mehr wird das Konzert beworben." Das bestätigt die Aktivisten von a.i.d.a., der antifaschistischen, informations-, dokumentations- und archivstelle münchen: "Die Strategie der Behörden heißt: totschweigen, totschweigen, totschweigen." Das tut Obertrubachs CSU-Bürgermeister Willi Müller nicht. Er sieht das immer stärker werdende Nazitreiben in seinem Ort mit Wut im Bauch. Verhindern konnte er dennoch nicht, dass der "2. Nationale Frankentag" im Juli 2009 auf einer Wiese in Obertrubach stattfand.

Röcke gegen Rechts

Die ver.di-Leute dagegen machen Neonazismus auf amüsante Art und Weise öffentlich; greifen jeden Freitag ein spezielles Thema auf. So protestierten sie unter dem Motto "Rock gegen Rechts" in Röcken gegen jenen Nazi-Frankentag. Einmal stand auf einer großen Schachtel: "Braun ist flüssig - oder überflüssig"; passend dazu gab's für Passanten kostenlos "braune Brühe" - auch Kakao genannt. Kürzlich tauschten sie Nazi-kompatible Klamotten von Lonsdale oder Thor Steinar gegen Anti-Nazi-Hemden um.

Ihre täglichen Proteste vor dem einzigen bayerischen Tønsberg-Geschäft wollen sie so lange fortsetzen, "bis der Laden aufgibt", bekräftigt Ulli Schneeweiß. Vielleicht hilft ihnen ja, dass der Thor-Steinar-Markeninhaber, die Mediatex GmbH, inzwischen in arabischem Besitz sein soll. Weshalb sich viele Neonazis von Thor Steinar distanzieren. In Leipzig jedenfalls machte das Tønsberg-Geschäft am 25. Juni dieses Jahres dicht.